Archiv für den Monat August 2014

Der Blickkontakt

Ich kann Menschen problemlos ansehen. Viele Autisten berichten das Gegenteil. Das war bei mir nicht immer der Fall. Ich habe es im Zuge meiner Ausbildung gelernt. Aber es hat andere Probleme mit sich gebracht…

Als ich die Fachschule für Sozialpädagogik besuchte, sprach meine Psychologie-Lehrerin mich an, ich würde die Menschen beim Sprechen nicht richtig anschauen, als hätte ich immer etwas zu verbergen, würde lügen oder wäre nicht interessiert. Ehrlich gesagt, war mir das vorher nie aufgefallen. Da ich den Beruf der Erzieherin lerne, sei es wichtig, den Kindern in die Augen zu sehen, wenn ich mit ihnen spreche.
Das sah ich ein. Also begann meine Lehrerin dieses Verhalten mit mir zu trainieren. Allerdings blieb dabei eine andere Sache auf der Strecke, nämlich meine Konzentration.
Ich bemerkte sehr schnell, dass ich vor lauter Fokussierung auf den Blickkontakt, die Inhalte der Gespräche nicht mehr gut verfolgen konnte, was zur Folge hatte, dass ich nicht mehr alles mitbekam. Die zusätzlichen Bewegungen im Gesicht meines Gegenübers beim Sprechen raubten mir dann den Rest meiner Konzentration, und Sätze wie „Hast du denn gar nicht zugehört?“, bekam ich immer öfter zu hören.

Blickkontakt zu halten und einem Gespräch zu 100% folgen ist mir bis heute nicht möglich. Aber da ich herausgefunden habe, dass der Blickkontakt unter NTs das Wichtigste am Gespräch ist, gebe ich mir immer wieder große Mühe.
Eine Psychologin der Autismus-Ambulanz sagte mir zum ersten Mal, dass mein Blickkontakt wie ein Starren wirke. Sie erkannte direkt, dass es einstudiert war und keine natürliche Wirkung auf andere hatte. Ich erklärte ihr mein Problem mit der Konzentration auf die Inhalte der Gespräche und sie riet mir, bei wichtigen Gesprächen dem anderen einfach von meinem Problem zu erzählen und ihn so darauf vorzubereiten, dass ich hin und wieder wegsehen müsse, um alles zu verstehen.

Nun, das ist nicht so einfach, denn jedes Mal müsste ich dem anderen von meinem Autismus erzählen und damit rechnen, dass er aus Unsicherheit Abstand zu mir hält. Also lasse ich es in den meisten Fällen.

Es gab eine Begebenheit auf der Leipziger Buchmesse 2014, bei der ich gezwungen war, meinem Gegenüber von diesem Problem zu erzählen. Es ging um ein spontanes Interview, was nach meiner Lesung stattfinden und für Youtube gefilmt werden sollte. Ich wusste nichts davon und konnte mich nicht vorbereiten.
Mein Moderator während der Lesung war bereits über mein Asperger Syndrom informiert, damit er im Falle einer nicht angemessenen Reaktion von mir eingreifen und mir helfen könnte. (Beispiel: Bei einer Lesung in Hilden ist einmal ein Gast während des Lesens auf mich zugestürmt und hat mich vor allen Leuten beschimpft. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte , bin aufgestanden und habe die Veranstaltung verlassen. Danach hatte ich große Probleme damit, wieder in der Öffentlichkeit zu lesen)

Dieser andere Moderator wollte mich also spontan interviewen. Da die Antworten in solchen Fällen von besonderer Wichtigkeit sind, wurde ich nervös. Die Höflichkeit verlangt, dass ich den Moderator während des Gesprächs anschaue. Aber wenn ich dies täte, könnte ich die Fragen nicht richtig verstehen und angemessen antworten. Also besprachen wir ein Interview, bei dem wir seitlich zur Kamera standen. Als er mir die Fragen stellte, sah ich links an ihm vorbei und konnte mich gut darauf konzentrieren und angemessen antworten. Bei der Antwort konnte ich ihn ansehen. Ich antwortete allerdings sehr schnell und aufgeregt, weil mich die Situation vollkommen überforderte. Man kann es in dem Video genau sehen. Und doch hatte dieses Interview die höchste Einschaltquote von allen, die dort von den Filmteam gemacht wurden. Ich hoffe, das liegt an der Qualität der Antworten.

Da ich mich an den Blickkontakt mittlerweile sehr gewöhnt habe, nehme ich in den meisten Fällen eher das Defizit mit dem Verstehen in Kauf. Notfalls frage ich nach oder akzeptiere, dass ich auf manche eben „dumm“ wirke. Ich gebe selten zu, dass ich autistisch bin, um bei den anderen keine Unsicherheit zu verursachen.

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Ist das Asperger Syndrom wirklich eine Störung?

Zu Anfang dieses Beitrages möchte ich mich gerne entschuldigen, wenn manches recht krass herüberkommt, obwohl ich es nicht so meine. Doch manchmal wähle ich klare Worte, um das auszudrücken, was ich meine und wie ich die Dinge sehe. Auch wenn es nicht allen gefällt.
Es gibt Dinge, die ich nicht schönreden oder abmildern kann. Wer meine Romane kennt weiß, was ich meine. Ich bin manchmal so deutlich, dass andere vor mir zurückschrecken oder mich missverstehen. Also, den Beitrag bitte nur lesen und nicht direkt urteilen. Er ist sehr allgemein und provokativ geschrieben. Erst mal sacken lassen. Bitte erkennt meine Aussage darin, meine Bitte, nicht meinen Zorn. Der sieht völlig anders aus.

Ich würde gerne einmal etwas zur Diskussion stellen. Ich habe grundsätzlich ein Problem mit den Begriffen Erkrankung und Störung, wenn es um das Asperger Syndrom geht.

Man stelle sich vor, es gäbe auf der Welt mehr Asperger als NTs, und der Begriff „normal“ würde immer noch durch die Quantität bestimmt. Dann wären die Menschen ohne das Syndrom die „nicht normalen“. Und jetzt wende ich den Begriff „Störung“ an. Der Mensch ohne Asperger hätte dann also eine Störung.

Ich schreibe provokativ aus meiner Sicht, um eine klare Darstellung zu schaffen:

Der Mensch ohne Asperger redet viel belangloses Zeug. Er vertuscht und verschleiert reale Situationen. Er verändert viel und lügt oft. Er will immer höher und immer weiter. Er macht viel zur gleichen Zeit und er fordert von sich immer mehr und mehr. Er vermittelt das Gefühl, nie gut genug zu sein. Er versucht mir vorzuschreiben, was ich anziehe, wie ich lebe und was ich mag.
Ich könnte endlos viel aufzählen, was Menschen ohne Asperger-Autismus aus meiner Sicht verursachen. Das ist aus meiner autistischen Sicht eine Störung. All das verwirrt mich. Doch ich möchte hier keine Pauschalaussagen machen, denn ich kenne viele, viele tolle Menschen, die keine Autisten sind und die aus meiner Sicht sehr vernünftig leben und reagieren.
Aber … wie würde es sich für die Menschen ohne Asperger-Autismus anfühlen, wenn diese Sicht der Dinge in der Gesellschaft existieren würde? Wenn sie also als gestörte Menschen bezeichnet würden. Das Gefühl, das dadurch entsteht, ist das Gefühl, das diese Autisten haben, wenn man sie als gestört oder krank betitelt.

Jetzt noch mal zur Kernaussage: Ist das Asperger Syndrom wirklich eine Störung oder eine Krankheit? Die Betroffenen empfinden sich nicht als gestört oder krank, sie empfinden sich nur als anders wahrnehmend, so wie jeder Mensch anders für sie wahrnimmt. Asperger widmen sich mit großer Freude bestimmten Themen sehr intensiv und sind oft Koryphäen auf ihrem Gebiet. Sie vertuschen und verschleiern nichts, können nicht manipulieren. Sie wollen nicht immer mehr und immer höher und anderen Vorschriften machen, was sie zu tun haben. Ihre angeborene Perfektion reicht dafür aus, dass sie vieles auf hohem Niveau erledigen und keine Pusher benötigen. Sie leben gerne in einer gewohnten, funktionierenden Welt und wollen zur Ruhe kommen. Sie verabscheuen Gewalt und lehnen Kriegszustände gänzlich ab, weil sie gar nicht in der Lage sind, strategisch und berechnend gegen ihre Mitmenschen vorzugehen. Sie treffen sich gerne mit Leuten, die ihre Interessen ehrlich teilen, und nicht, um daraus einen Gewinn zu erzielen. Sie schreiben niemanden vor, wie er sein soll. Sie ändern nicht andauernd ihren Geschmack, sondern bleiben ihren Ansichten treu. Es kümmert sie nicht, was die Nachbarn und Zeitungen tratschen. Aber sie leiden entsetzlich unter Reizüberflutungen, Manipulationen und manipulativen Desinformationen. Besonders wenn sie ihre Nöte mitteilen und deswegen auch noch angegriffen, verlacht oder gar als naiv bezeichnet werden. Deswegen verbiegen sie sich oft bis zur Unkenntlichkeit, um sich den NTs anzupassen, weil diese sich in der Mehrzahl befinden.
Ein unendlicher Denk- und Stresszustand. Asperger, die nicht imstande sind, sich ausreichend anzupassen, landen nicht selten in psychiatrischen Kliniken, als Obdachlose auf der Straße oder leben arbeitslos und sozial isoliert in ihren Wohnungen. Nur wenige schaffen den Sprung in ein funktionierendes Berufsleben oder gar in eine Ehe mit Kindern.

Nach meiner Kenntnis findet man höchst selten Asperger in Machtpositionen, denn Macht über andere widerstrebt ihnen in der Regel. Man findet sie häufiger in Leitungspositionen. Ihr Prinzip ist es, ohne Wettkampfgedanken Leistungen zu bringen und in ihrer Einstellung in Ruhe gelassen zu werden. Nur damit fühlen sie sicher, nicht ausgenutzt oder verlacht zu werden, weil sie mal wieder nicht schnell genug irgendwelche Verschleierungen und Manipulationen durchschaut haben. Sie wollen auch nicht ständig ausgenutzt werden, weil sie mal wieder nicht „nein“ sagen können.

Aber auch hier gibt es Ausnahmen, weil es auch sehr unangenehme Asperger gibt, die es mit genau diesen Punkten übertreiben. Ehrlichkeit zum Beispiel hat Grenzen und kann sehr taktlos sein. Auch Desinteresse hat Grenzen und kann andere verletzen. Sozialer Rückzug hat Grenzen, weil dadurch unnötig die Hilfe anderer beansprucht wird. Pessimistische zänkische Asperger sind kaum auszuhalten. Sie können richtige Griesgrame sein.

Ich wollte nur einmal zur Diskussion stellen, ob es wirklich eine „Störung“ eines Menschen gibt. Wenn ja, wer hat sie dann? Der Asperger oder der NT? Es gibt Ansichten, Geschmäcker und Fähigkeiten. Was es leider oft nicht gibt ist: genug Toleranz, Integration und Respekt. Und leider gibt es zu viele Menschen, die kein Interesse haben – auf beiden Seiten.

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Das Extreme, die Geduld und Pippi Langstrumpf

Das Extreme hat mich schon von Kindheit an fasziniert.
Pippi Langstrumpf zum Beispiel. Meine ersten Bücher! Sie ist ein Mädchen, das mit Extremen lebt, und das hat mir gut gefallen. Sie ist extrem stark, extrem lustig, extrem bunt, extrem mutig. Sie ist klar zu definieren und hat alles verkörpert, was mir Spaß machte. Sie lebt alleine in einer bunten Villa mit großem wildem Garten rundherum, kann singen, schreien, lachen und herumtanzen so viel sie will. Niemand stört sie oder fordert ihre Aufmerksamkeit ein. Sie schiebt ihre Möbel durch die Gegend, springt auf ihnen herum und schläft immer dort, wo es ihr gerade am Besten gefällt. Sie kennt keine Regeln außer ihren eigenen und besitzt eine eigene Klugheit in Bezug auf das Leben. Sie setzt sich über die Meinungen der anderen hinweg und trotzt ihnen mit witziger Taktik. Sie ist Alles oder Nichts. Sie liebt ihre Freunde Tommy und Annika, weil sie sie so nehmen, wie sie ist. Kinder eben. Die können so etwas. Pippi tut niemanden etwas zuleide, es sei denn, man ärgert sie.

Es ist natürlich klar, dass man ein solches Leben nicht in der Realität leben kann, aber es hat viele Ansätze, die ich mir wünschen würde. Eine gewisse Anpassung muss natürlich sein, aber zu viel Anpassung zerbricht mich. Ab einer gewissen Menge von Reizen und Erwartungen pfeift bei mir der „Hirnkanal“. Diese Menge ist erheblich geringer als bei Menschen ohne Autismus. Deswegen wirken Asperger empfindlicher und leiden viel schneller. Sie werden manchmal als Mimosen wahrgenommen, aber es ist ihre Andersverdrahtung im Gehirn, die viele Situationen im Leben schwieriger macht. Stress ist immer wieder ein großes Thema bei Aspergern. Er entsteht einfach schneller. Ich will mal ein Umkehrbeispiel nennen aus der Geschichte von Pippi Langstrumpf:

Pippi soll in die Schule gehen, will aber nicht, weil sie den Bedingungen dort nicht gewachsen ist. Sie kann nicht ruhig sitzen und nicht stundenlang schweigend dem Lehrstoff folgen, den Fräulein Prüsselius (Prüsselliese) – gespielt von Margot Trooger – lehrt. Also nimmt sie regelmäßig Reißaus. In diesem Fall erlitt nicht Pippi den Stress, sondern Fräulein Prüsselius, weil sich Pippi nicht in „ihre Vorstellungen“ einfügen lässt. Das ist also der umgekehrte Fall. Wenn Menschen ohne Autismus Stress erleiden, dann aus dem Grund, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen. Das ist normal. Das ist bei Aspergern genauso, nur, dass sie erheblich mehr Situationen erleben, an die sie sich einfach nicht anpassen können. Das hat mit Wollen nichts zu tun. Wenn mir die Hand zum Greifen fehlt, dann kann ich nicht greifen.
Was ich damit sagen will ist, dass jeder Mensch bei sich selbst anfangen sollte zu fragen, wie weit darf ich meine Erwartungen und Vorstellungen von anderen überhaupt einfordern? Wann ist der Andere am Ende seiner Kraft und kann meinen Vorstellungen nicht mehr entsprechen?

Das ist der Moment, in dem Asperger und NTs die Chance haben, aufeinander zuzugehen. In diesem Fall sind der Austausch und das Mitteilen sehr wichtig. Und genau das möchte ich mit diesen Beiträgen erreichen. Ich teile mich mit, um meine Probleme und Grenzen aufzuzeigen.

Meine Gefühlsskala kennt nur zwei Zahlen: 1 und 10. Ich bin entweder extrem wütend oder extrem lustig, extrem ruhig oder extrem aufgeregt, extrem still oder extrem unterhaltsam. Dazwischen gibt es nichts. Alles oder Nichts. Ich habe keine Grauzone. Mit fehlen die „Mittelverdrahtungen“. Geduld ist mir oft ein Fremdwort. Auf mich könnte das Sprichwort zutreffen: „Herr gib mir Geduld, aber sofort!“
Ich antworte zum Beispiel sehr schnell in Facebook, wenn ich mich über einen Beitrag freue. Ich muss dann geschwind meinen Senf dazugeben. Wenn ich mich entschließe, ein Zimmer zu renovieren, dann beginne ich schon am nächsten Tag. Will ich ein Zimmer verändern, schiebe ich fünf Minuten später alle Möbel durch die Gegend. Will ich spazieren gehen, mache ich es sofort. Kommt eine Email an, schreibe ich oft direkt zurück. Ich schiebe die Dinge nicht gerne auf, weil ich immer Angst habe, sie zu vergessen. Im Gegenzug kann ich Dinge, die mich total langweilen oder zu sehr anstrengen so lange aufschieben, bis ich sie vergessen habe. Auch hier zeigt sich kein gesundes Mittelmaß. Es hat nichts mit Disziplin zu tun, es hat etwas mit dem Stresspegel zu tun, der in mir unermesslich weit hochfahren kann. So hoch, dass ich vor lauter Erschöpfung die Dinge nicht regeln kann. Es ist keine Faulheit oder Bequemlichkeit und deswegen so schwer von NTs zu verstehen. NTs brauchen oft eine verständliche Bezeichnung für dieses Verhalten. Wie wäre es mit „Unfähigkeit“? Viele NTs sind zum Beispiel unfähig, den Spezialinteressen und dem damit verbundenem Wissen der Autisten das Wasser zu reichen. Viele Asperger sind große Spezialisten in Bereichen, die ihr Interesse wecken.
Jeder hat Unfähigkeiten und jeder hat andere Grenzen.

Es ist oft schwer mit mir mitzuhalten. Eine Idee wird bei mir schnell zu einer Tat. Ich kann mit Vorliebe die Dinge übereilen. Durch meine Ungeduld handele ich mir auch hin und wieder mächtig Ärger ein, weil ich nicht genug nachgedacht habe.

Auf der anderen Seite gibt es bei mir eine Art von Geduld, die unfassbar groß ist. Wenn mir eine Sache wichtig und richtig erscheint, kann ich über viele Jahre Geduld dafür aufbringen. Zum Beispiel meine Bücher. 1995 begann ich mit dem Bücherschreiben, ganz in dem festen Glauben, dass es eines Tages sehr wichtig für mich werden würde. Trotz unzähliger Rückschläge und Abraten von Freunden bin ich immer dran geblieben und habe mich nie vom Weg abbringen lassen. Heute habe ich vier Bestseller auf dem Büchermarkt, eine Nominierung für mein Erstlingswerk und einen Vertrag mit einem großen Buchverlag in der Tasche.

Dasselbe gilt für meine Kinder. Ich habe trotz massiver gesundheitlicher Einschränkungen (Krebs, Diabetes Typ I, Schilddrüsenüberfunktion) nie den Glauben verloren, dass sich jeder Kampf lohnt. Ich habe mir vorgenommen, meine Kinder ins Leben gehen zu sehen und habe es geschafft.

Leider gibt es bei mir keine gesunde „Mittelgeduld“. Entweder breche ich alles sofort ab oder ich halte sehr lange durch. Das Mittelmaß wäre wünschenswert und würde mir die Last des Extremen nehmen. Das Gefühl der Extreme ist sehr schwer auszuhalten, weil der Schlagabtausch zu gewaltig ist, aber ich kann meine Gefühle (Maß der Wahrnehmung und Empfindung) nicht kontrollieren. Entweder koche ich vor lauter Stress über, bin vor lauter Glück euphorisch oder vor lauter Aufmerksamkeit total erschöpft und antriebslos. Dieser Wechsel vollzieht sich für mich unkontrolliert und kann schnell in Angst und Depression führen.

Entspannung ist mir gänzlich fremd. Gelassenheit verspüre ich immer nur kurz.

Das Einzige, was mich in einem erträglichen Gefühlszustand hält ist das Schreiben. Es ist meine einzige Balance.

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Mode, Trend – was ist das?

Ist Mode etwas, was anderen gefällt oder etwas, was mir gefällt? Ist es etwas, was andere uns aufzwingen wollen oder etwas, was ich mir gewünscht habe?
Es ist ein ständiger Wandel von Angeboten und damit für mich sehr schwer zu verstehen.

Für mich ist Mode etwas für Menschen, die keinen eigenen Geschmack haben. Genauso der Trend. Mit diesen Dingen geben uns wildfremde Menschen vor, nur dann geliebt und gemocht zu werden, wenn wir ihre Vorgaben (Mode, Trend) erfüllen. Wie fatal! Aber ein Wirtschaftsfaktor!

Mit diesem Satz mache ich mir bestimmt keine Freunde, aber ich frage mich immer wieder, wie es sein kann, dass mir heute blondes Haar und morgen braunes Haar gefällt? Entweder gefällt mir das eine oder das andere. Und was ist mit der natürlichen Haarfarbe? Ist die jetzt falsch?

Mir gefällt meine eigene Haarfarbe am Besten, denn das bin ich. Ich habe mittlerweile ziemlich graue Haare, aber das finde ich sehr in Ordnung, weil es der natürliche Lauf der Dinge ist. Mit blondem oder braunem Haar würde ich nicht mehr mich selbst zeigen. Ich will auch nicht mit der Haarfarbe meiner Jugend im Alter leben, denn das ist nicht authentisch. Es ist eine verschleierte Welt. Ich komme in verschleierten Welten nicht klar.

Was ist Mode? Was ist ein Trend?
Werde ich nur anerkannt und bin ich nur dann wertvoll, wenn ich dem folge?Was ist mit meinem Auto, dem Geschirr, der Bettwäsche, meinen Möbeln und und und …

Wie kann ich selbstsicher sein, wenn mir ständig erzählt wird, dass meine Welt, in der ich lebe, falsch ist. Wenn meine Kleidung falsch ist, meine Augenwimpern ohne Booster, mein Speiseplan ohne Alkohol, mein Leben ohne Handy… Mittlerweile will Google meine Handynummer, um mir mehr Sicherheit im Internet zu geben. Ich habe kein Handy. Muss ich nun unsicher
leben?

Bei mir ist es so, dass sich mein Geschmack natürlich auch im Laufe des Lebens immer mal etwas verändert – ist doch klar – aber im Grunde verändert er sich nicht sehr und schon gar nicht vierteljährlich.
Ich mag Jeans, deswegen trage ich sie. Heute, morgen und nächstes Jahr auch noch. Und in zwei, drei Jahren ebenso.
Genauso ist es mit Jacken, Bettwäsche, Möbel usw … Muss ich jedes Jahr neue Jacken haben, weil es die Mode vorgibt? Jedes Jahr neue Gardinen, weil es der Trend so vorgibt? Nein!
Muss ich alle paar Jahre einen neuen Wagen habe, weil ich von meinen Nachbarn anerkannt werden will? Nein!
Dieser ständige Wechsel lässt sich auf viele Bereiche des Lebens übertragen.
Wenn mir etwas gefällt, dann kaufe ich es und benutze es solange, bis es ausgedient hat oder abgenutzt ist. Bei mir wird äußerst selten etwas entsorgt, wenn es noch in Ordnung ist. Wenn, dann gebe ich es in karikative Organisationen oder verkaufe es zu einem angemessenen Preis. Ich sammle nichts (außer Büchern). Wenn gut erhaltene Kleidung aufgrund von Figurveränderungen nicht mehr passt, verstaue ich sie in einem Karton und stelle ihn auf den Speicher. Warum sollte ich sie wegwerfen? Sobald ich wieder das Gewicht erreicht habe, öffne ich mit großer Freude meinen „Vorrat“! Ich werfe also nicht gleich alles weg, um es mir später wieder neu zu kaufen. Welcher Irrsinn!

Was ich an Mode und Trends allerdings spannend finde ist, dass sich die Dinge immer wieder wiederholen. Dann kann ich meinen Geschmack wieder komplettieren, bzw. meine Bestände wieder auffüllen. Oft sind es nur kleine Details. Eine bestimmte Art von Blusen oder Schuhen, die es schon jahrelang nicht mehr gegeben hat, taucht plötzlich wieder auf dem Markt auf.

Mode und Trends können mir auch Angst machen, denn wenn mir etwas richtig gut gefällt, dann habe ich hin und wieder Angst, dass es nächstes Jahr vom Markt verschwinden kann. Durch die Masse des Angebots, die unsere Märkte überschwemmt, ist natürlich kein Platz für alles, aber seit es das Internet gibt, ist das Problem geringer geworden und hat sich im Bereich Mode und Trend etwas abgeschwächt. Die Verbraucher bestimmen selbst immer mehr, was sie mögen. Das finde ich gut, denn dadurch habe auch ich als Autistin die Sicherheit bekommen, dass ich z.B. die Art von Schuhen, die ich mag, auch nächstes und übernächstes Jahr noch finden und kaufen kann.

Menschen ohne Autismus lieben die Veränderung und das Abwechslungsreiche, weil sie sich schnell auf neue Dinge einstellen und reagieren können.
Ich liebe die Gewohnheit und oft ein überschaubares immer gleiches Angebot. Das gibt mir Sicherheit, weil ich Probleme mit neuen und fremden Dingen sowie Situationen habe. Natürlich freue auch ich mich über neue Ideen, Anregungen und Veränderungen, aber nicht in dem Maße, wie es heute praktiziert wird. Alles wird immer schneller, immer größer, immer höher. Aber wird es dadurch besser?

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Von der Theorie und Praxis und dem Autismus‘

Das Problem mit Theorie und Praxis haben alle Menschen auf die eine oder andere Art und Weise. Im Büro entsteht die Theorie eines Arbeitsvorganges und in der Praxis, der Herstellung, gestaltet sich alles ganz anders. Denken und Tun – zwei völlig verschiedene Dinge.

Die Theorie und Praxis im Kontext von Autismus sind ein sehr interessantes Thema.

Jeder Mensch denkt. Der Autist denkt noch viel mehr als andere, weil er sich durch seinen nicht so gut ausgeprägten Instinkt, seine Intuition und Empathie in einem ständigen Denk- und Lernprozess befindet.
Ich versuche in meiner Kammer des Denkens ständig Situationen durchzuspielen, um mich vorzubereiten. Ich nenne es das „was-wäre-wenn-Spiel“. Dabei durchdenke ich alle möglichen Situationen, die auf mich zukommen könnten. Ich entwickle in meiner Theorie also sämtliche Reaktionen, die ich einsetzen könnte. Diese Reaktionen werden zu einer Art Dominoeffekt. Sie setzen weitere Reaktionsmöglichkeiten frei. Und diese verzweigen sich, weil es vom Gegenüber verschiedene Gegenreaktionen geben könnte, die ich einkalkulieren muss. Ich entwickle ein riesiges Netz von theoretischen Reaktionen, um nichts falsch zu machen, weil ich kaum spontan auf fremde Situationen reagieren kann. Also bereite ich mich vor. Das passiert ständig, wenn ich zu bestimmten wichtigen Terminen, Gesprächen oder Veranstaltungen muss. Das können aber mitunter auch ganz banale Anlässe sein zum Beispiel, wenn der Schornsteinfeger kommt.
Ich mache mir Gedanken, die sich wahrscheinlich kein anderer macht. Dazu gehören: Wie begrüße ich den Menschen morgens? Gehe ich kurz auf das Wetter ein oder warte ich, ob er etwas sagt? Was könnte er sagen und wie könnte ich reagieren? Sind die Räume, durch die der Schornsteinfeger im Haus läuft auch ordentlich genug? Riecht es nicht muffig im Haus? Lege ich Trinkgeld bereit? Ist es ein extrovertierter oder introvertierter Mensch? Sollte ich Smalltalk betreiben? Wenn ja, worüber? Wie verabschiede ich mich von ihm? Wünsche ich ihm einen schönen Tag (obwohl ich weiß, dass es regnet oder die Arbeit ihn nervt)? Und so geht es immer weiter. Wo andere Menschen sich keine Gedanken machen, weil sie spontan reagieren können, erarbeite ich regelrechte Reaktionssysteme. Das kann ein Mensch ohne Autismus nicht verstehen. Genauso wenig wie ich spontane Reaktionen verstehe. Es ist eben eine Andersverdrahtung des Gehirns – eine Anderswahrnehmung. Dies ist die einzige Erklärung. Dafür funktioniert der autistische Mensch aber in Bereichen hervorragend, wenn sie sein Spezialinteresse betreffen.

Anderes Beispiel: ein Arztbesuch.
Wenn ich mich nicht vorbereite und dem Arzt dann gegenüber sitze, weiß ich oft nicht, wie ich ihm mein Problem mitteilen soll. Klingt banal, ist aber so. Ich habe ständig Angst, dass ich mein Anliegen falsch oder zu kompliziert mitteile und nicht zu dem Ergebnis komme, das ich will. Wie reagiere ich, wenn der Arzt mein Anliegen bagatellisiert? Gebe ich mich damit zufrieden oder übe ich Druck aus? Mache ich mich mit meinem Anliegen lächerlich?
Bei mir stellen sich oft andere gesundheitliche Probleme ein als üblich. Ich habe viel schneller organische Reaktionen als andere, reagiere kaum auf Medikamente, Schmerzmittel oder Beruhigungsmittel oder entwickle Nebenwirkungen, die unbekannt sind. Dann leide ich an dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, weil sich diese merkwürdigen Reaktionen häufen. Deswegen wechsele ich öfters den Arzt. Sobald ich feststelle, dass er mich nicht mehr ernst nimmt, wechsele ich. Ich habe Angst, als Simulant abgestempelt zu werden.
Bisher haben sich all meine Anliegen immer als richtig erwiesen. Vor 20 Jahren bemerkte ich zum Beispiel, dass in meinem Körper Krebs wuchs, hatte Schmerzen und Todesträume, wurde aber nicht ernst genommen, als Simulantin mehrmals heim geschickt. Zwei Jahre später stellte man Brustkrebs in fortgeschrittenem Stadium fest. Warum? Weil der Arzt ein veraltetes Mammographiegerät hatte und die Knoten nicht sah. Meine intensiven Versuche, ihm meine spürbaren Beschwerden mitzuteilen, wurden nicht mehr ernst genommen.

Anders Beispiel: Als man voriges Jahr bei mir wegen anschwellender Lymphknoten im ganzen Körper Krebs vermutete, sagte ich, dass es „Stressknoten“ seien, kein Krebs. Ich weiß, wie sich Krebs anfühlt. Man belächelte mich, sagte, es gäbe keine „Stressknoten“ und überredete mich, dem Nacken einige Knoten als Probe entnehmen zu lassen. Ich gab widerwillig nach mit dem Ergebnis, dass sich durch ein abgeschwächtes Immunsystem kleine Infekte in den Drüsen gesammelt hätten. Wahrscheinlich wäre es auf Stress zurückzuführen, sagten die Ärzte.
Seit der Operation ist meine Haut an der linken Kopfhälfte taub, weil man Nerven bei der Operation durchgeschnitten hat. Aus meiner Sicht wäre die Operation nicht nötig gewesen.

Ich mag es nicht, wenn Ärzte mir nicht glauben, nur weil meine Anliegen anders sind als bei anderen. Deswegen verspüre ich immer große Nervosität, wenn ich zum Arzt muss. Ich gehe selten hin, denn ich habe so gut wie keine grippalen Beschwerden. Wenn ich Beschwerden habe, dann sind es prägnante körperliche Beschwerden, die ich nicht in den Griff bekomme und wo ich die fachliche Hilfe benötige, weil sie unter Umständen fatale Folgen haben können.

Wenn ich nun beim Arzt sitze, habe ich oft das Problem, das Maß der Dringlichkeit angemessen mitzuteilen ohne überzogen zu wirken. Viele Ärzte kennen das Asperger Syndrom nicht, auch nicht die Art von Wahrnehmung und Problemen, die diese Menschen haben. Dann kann ein Arztbesuch für mich zu einem wahren Spießrutenlauf werden. Man kann es mit dem Gefühl von Prüfungsangst vergleichen nur, dass ich diese Prüfungsangst ständig und immer verspüre. Ganz schlimm wird es, wenn es fremde und große Situationen sind. Dann bekomme ich oft einen Overload, weil zu viele Situationen auf mich zukommen, die ich vorher nicht theoretisch erarbeiten konnte.

Wenn meine Theorie in meinem „Büro“ also erstellt ist, kommt die Angst. Kann ich auch alles im richtigen Moment abrufen? Ich leide an Schlafstörungen und Nervosität. Manchmal sogar an Fieberanfällen, je nachdem, wie wichtig der Termin ist.
Ich könnte zum Beispiel nie im Fernsehen bei Diskussionen auftreten. Deswegen schaue ich mir auch gerne Talkrunden an. Ich studiere Menschen und bin fasziniert, wie spontan sie die richtigen Antworten abrufen können, obwohl sie die Fragen vorher nicht kennen.

Einmal faszinierte mich eine junge Schauspielerin bei einer Talkrunde im WDR, die recht unsicher wirkte und sagte: „Es ärgert mich immer, wenn mir die richtigen Antworten erst Stunden später einfallen. Dann blamiere ich mich voll.“ JA! Das kenne ich! Stunden später habe ich die Frage richtig verarbeitet, eine Antwort dafür verdrahtet und kann sie abrufen. Das passiert aber nur bei neuen oder fremden Situationen. Es ist nicht der Fall, dass ich nicht in der Lage bin zu antworten. In meinem Leben habe ich natürlich schon unzählige Situationen durchlebt und gemeistert. Zudem bin ich extrovertiert und habe immer eine Antwort parat. Aber ob sie angemessen ist, steht auf einem anderen Blatt. Meist hilft mir mein Humor. Ich bin sehr fröhlich und witzig und kann mit diesen Eigenschaften viele Situationen geschickt umschiffen. Aber bei ernsten Situationen hört der Spaß auf. Dann kann es schnell zu einer Blamage kommen.

Von der Theorie zur Praxis ist es ein langer Weg. Nun stehe ich mit all meinen theoretischen Ideen und Antworten vor der praktischen Situation und kann sie nicht abrufen. Warum? Zum einen ist es eine Blockade, die ich nicht erklären kann, zum anderen ist es, weil ich bestimmte Dinge einfach nicht aussprechen kann. Ich weiß nicht, warum. Ich kann nicht nein sagen oder unfreundlich sein. Ich kann keine schlechten Nachrichten überbringen oder den anderen bewusst angreifen, auch wenn es angebracht wäre. Ich kann wütend sein, aber dann ist in meinen Gefühlen Holland bereits am Brennen! Wut und Zorn führen bei mir zu cholerischen Reaktionen. Ich schmeiße blindwütig und vollkommen übertrieben gemeine und verletzende Worte um mich mit dem Ergebnis, mich Stunden später dafür furchtbar zu schämen, weil es unangemessen war. Das verursacht unerträgliche Schuldgefühle.
Die Praxis ist oft ein unüberwindbares Problem für mich. Ich hoffe immer, dass ich es eines Tages in den Griff bekomme und genauso entspannt oder sogar erfreut zu Terminen oder Veranstaltungen gehen kann wie jeder andere, doch ich befürchte, das wird nie geschehen. Dann müsste sich in meinem Gehirn eine Metamorphose vollzogen haben. Ein Wunder!

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Erklärungen

Erklärungen sind sehr wichtig für mich. Da ich viele Handlungsweisen der NTs nicht verstehe, suche ich immer nach Erklärungen. Alles muss für mich eine gewisse Logik besitzen. Für fast alle Begebenheiten, Reaktionen und Gefühle gibt es eine Erklärung.

Als Jugendliche habe ich einen Spruch gelesen: Alles hat einen Grund und ergibt einen Sinn. Ich habe diese Worte zu meiner Grundlage aller Denkprozesse gemacht. Verstehen bedeutet für mich Sicherheit. Da ich vieles durch meine fehlende Intuition oder meinen fehlenden Instinkt nicht verstehe, muss ich es lernen. Das bedeutet lebenslanges Lernen. Immer wieder neu, immer wieder mehr.

Ich habe mich schon sehr früh mit der Frage beschäftigt „Wer bin ich?“ Und – „Warum bin ich ich?“
Bücher von Philosophen sind im Laufe meines Lebens meine besten Freunde geworden.
Warum spüre ich mein Ich-Dasein nur in meinem Körper und nicht im Körper anderer Menschen?
Das waren die ersten Hinweise für meine mangelnde Empathie anderen gegenüber. Ich konnte mich einfach nicht in andere Menschen hineinversetzen. Das machte mich als Kind oft launisch und unzugänglich. Wenn ich die Reaktion meiner Eltern nicht verstand, wehrte ich mich aufs Übelste dagegen. Erst wenn ich Erklärungen bekam, wurde ich einsichtig. Wie oft hörte ich den Satz: „Aber das musst du doch wissen!“ Doch ich wusste es eben nicht.

Daher habe ich als Mutter ein intensives Erklärungsverhalten praktiziert. Schon in den ersten Jahren habe ich meinen Jungen alles erklärt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich müsste es tun. Der Jüngste begeisterte sich bereits mit sechs Jahren für das Buch „Sophies Welt“. Der Favorit beider meiner Jungen war damals „Momo“.
Egal, was ich machte oder was passierte, ich erklärte es. Das fand ich wichtig, damit sie schon früh lernten, warum die Welt so funktioniert, wie sie funktioniert.
Das machen ganz sicherlich viele Eltern, aber bei mir war es extrem ausgeprägt. Da ich immer von mir selbst ausging, dachte ich, ich müsste alles immer wieder erklären. Bis mich mein Mann darauf aufmerksam machte, dass ich nicht ständig alles wiederholen müsse und die Kinder es schon begriffen hätten.
Ich führte dieses Verhalten in meinem Beruf als Erzieherin fort, wo es oft viel Sinn machte. Doch ich bemerkte nicht, dass ich auch begann den Eltern alles zu erklären. Ich erklärte jede meiner Handlungen und jede Reaktion von mir und wirkte sicherlich auf viele altklug, wenn ich sie verbesserte. Die Worte „weil“ und „aber“ hatten sich praktisch in meinem Gehirn eingebrannt und wirkten oft nervig auf viele. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, ich müsste auch mich ständig erklären. Vielleicht liegt es daran, dass ich andere Menschen so wenig verstehe und mir auch von ihnen wünsche würde, dass sie sich stärker zu erklären.

Als ich begann Bücher zu schreiben, teilte mir eine Leserin mit, dass ich 40% aller Wörter streichen könnte, weil ich unablässig Erklärungen lieferte, die der Leser nicht brauche. Ich ließ mir anhand eines Probetextes meine überflüssigen Wörter von dieser Dame streichen und las den Text noch einmal durch. Sie hatte Recht. Ich hatte Dinge erklärt, die selbstverständlich waren und den Leser zusätzlich verwirrten oder langweilten.

Dieses „Erklärungsdenken“ ist jedoch bis heute geblieben. Ich denke ständig darüber nach, warum Dinge passieren, anstatt sie einfach hinzunehmen.
„Du musst nicht immer alles verstehen“, sagt mein Mann oft, aber ich habe den Drang, alles verstehen zu müssen.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich die Welt der NTs immer wieder neu verstehen und dazulernen will, um mich dazugehörig zu fühlen und nichts falsch zu machen. Es kommt mir manchmal wie ein Zwang vor, aber ich kann es nicht abstellen. Besonders schlimm wird es, wenn ich Briefe/Emails von Menschen bekomme, die mir sehr wichtig sind. Dann entsteht in mir eine große Angst, dass ich manche Worte aus dem Zusammenhang falsch verstehe. Und tatsächlich, manchmal dauert es Tage oder gar Wochen, bis mir der tatsächliche Sinn der Worte einleuchtet, doch ich habe bereits geantwortet und mal wieder alles verpeilt. Das löst großen Ärger in mir aus, und ich bekomme ein schlechtes Gewissen und leide an Schuldgefühle, dass der andere mich missverstanden haben könnte.

Da ich ein extrovertierter Mensch bin, kommt es vor, dass ich sehr „intensiv freundlich“ schreibe, weil meine Art der Freude ausgeprägter ist als bei NTs. Wenn NTs „nett“ sagen, sage ich „großartig, toll, beeindruckend“. Ich messe manchem also viel zu viel Bedeutung bei. Das hat etwas mit meinem Alles-oder-Nichts-Denken zu tun. Entweder mag ich etwas total oder gar nicht. Dementsprechend wähle ich meine Worte. Aber auf andere wirken sie manchmal übertrieben oder gar unangemessen.
Ich nehme mir immer wieder vor, Worte der NTs zu übernehmen, aber im passenden Moment kann ich sie einfach nicht abrufen. Dann sprudeln wieder meine eigenen Worte aus mir heraus. Erst zu Hause bemerke ich mein unangemessenes Verhalten und fühle mich schlecht.

Ich habe eine lange Zeit versucht, das Wort „weil“ als Erklärungswort zu vermeiden, und es funktionierte immer besser.
Vor einigen Wochen hörte ich in einem Interview mit Konny Reimann (dem Texas-Auswanderer), dass er unter anderem ausgewandert sei, weil er es satt hatte, sich ständig zu erklären. Diese Worte gingen mir wie Öl herunter. Dieser Mann macht mit seiner Familie so viele Dinge anders als andere und war es überdrüssig geworden, sich ständig zu rechtfertigen. In den USA fällt seine „Verrücktheit“ nicht auf.
Vielleicht möchte ich deswegen mein Leben lang schon auswandern!

Seit ich begonnen habe, mein Verhalten anderen gegenüber nicht mehr zu rechtfertigen, geht es mir besser. Aber es hat mich auch einige Kontakte gekostet, teilweise wichtige Kontakte. Doch ich muss mich entscheiden, mich zu beugen oder so genommen zu werden, wie ich bin. Ich habe mich nach 50 Lebensjahren endlich für Letzteres entschieden und seither das Gefühl, mich auf dem richtigen Weg zu befinden.
Freunde, die mich kennen und schätzen, brauchen keine Erklärungen. Im Grunde sind diese Beiträge auch nur Erklärungen. Doch ich finde es wichtig, endlich damit an die Öffentlichkeit zu gehen und vielleicht Betroffenen oder Menschen, die mit Betroffenen zusammenleben, dazu zu verhelfen, Menschen mit Asperger Syndrom besser zu verstehen. Damit meine ich nicht, sie zu verändern, sondern sie so anzunehmen, wie sie sind.
Und schon stecke ich wieder in meinen Erklärungen drin …

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Aldi – Home sweet Home!

Aldi ist das einzige Geschäft, in dem ich mich pudelwohl fühle!
Das war immer schon so, seit ich denken kann, nein, seit ich Aldi für mich als Supermarkt entdeckt habe. Es hat mit der Anordnung des Sortiments zu tun, die sich nie verändert. Jedes Geschäft ist gleich ausgestattet.
Und das gefällt mir!
Immer wenn ich dieses Geschäft betrete, finde ich alles am gleichen Platz wieder, auch wenn es einer bestimmten Verkaufsstrategie unterliegt. Es gibt mir Sicherheit.

Vor einigen Jahren, als das Sortiment um Frischfleisch erweitert und das Angebot bei Wurst und Käse auf sogenannte Bioprodukte umgestellt wurde, gab es für mich Krisenmomente, in denen ich überlegte, zu Edeka zu wechseln. Aber als auch Edeka begann, das gesamte Sortiment inklusive der Anordnung der Regale (von diagonal auf querfeldein) zu verändern, brach in mir eine Welt zusammen! Nichts war mehr auf seinem Platz! Eine Katastrophe für mich!

Die Filialinhaber denken sich natürlich etwas dabei. Je mehr der Kunde verwirrt wird, desto mehr muss er durch das gesamte Geschäft laufen und seine Produkte suchen. Dabei nimmt er natürlich gerne mehr mit als ursprünglich gewollt. Es soll auch Menschen geben, die es lieben, Supermärkte stundenlang zu durchstöbern und sich jeden Artikel genau anzusehen. Ich gehöre eindeutig nicht dazu.
Es löst unermesslichen Stress in mir aus. Ich kaufe nach sehr klaren Regeln und pragmatisch ein. In zehn Minuten bin ich mit dem Einkaufswagen bei Aldi durch und habe alles dabei, was ich für eine Woche brauche. Mein Einkaufsplan sieht bis auf wenige Fleischprodukte jede Woche gleich aus. Ich kaufe nie ein anderes Brot, andere Wurst, andere Beilagen oder anderen Salat, anderes Obst und Gemüse nur nach Saison. Deswegen ist mein Speiseplan nicht langweilig. Ich ordne die Zutaten einfach anders an. Man kann so viele Kreationen erfinden, dass es mich immer wieder wundert, wie reichhaltig manche Menschen einkaufen. Dabei ist es nicht selten, dass sie überflüssige Nahrung wegwerfen. Wie oft kauft man ein Gewürz, obwohl man es nur ein- oder zweimal benötigt? Genauso ist es mit Kräutern oder anderen Dingen. Viele scheinen zu vergessen, dass wir alle Gefrierfächer haben und größere Mengen kochen und einfrieren können. Das spart Zeit und Strom.

Das Wegwerfen von Nahrungsmitteln und überflüssigen Einkäufen ist eine Volkskrankheit geworden und macht mich oft wütend. Eigentlich stört mich schon dieser Verpackungswahnsinn. Widerwillig fülle ich Woche für Woche meinen gelben Sack mit Plastik und habe mir schon oft Gedanken darüber gemacht, einfach entsprechende Biomärkte oder Kleingeschäfte anzufahren. Ich habe es einmal ausprobiert, aber es löste unermesslich Stress in mir aus, weil ich zu viele Stellen anfahren musste, die ihr Sortiment regelmäßig veränderten.

So bleibt Aldi mein Favorit beim Einkauf. Zudem finde ich das Geschäft sehr seniorenfreundlich. Viele ältere Menschen fühlen sich dort ebenfalls sehr wohl, weil sie sich sicher fühlen. Verwirrung ist irrational!

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Geld ist Nebensache

Ich habe mein Leben noch nie auf Geld ausgerichtet. Es hat für mich nie eine große Rolle gespielt. Deswegen habe ich wohl auch keine Probleme damit. Ich kann mit totalem Verzicht genauso gut leben wie mit Luxus. Es kommt immer darauf an, wie es die wirtschaftliche Lage gerade zulässt. Ich bin ein guter Rechner, was Geldausgeben betrifft und mag es überhaupt nicht, wenn Geld sinnlos ausgegeben wird. Das bedeutet, wenn ich eine Jacke kaufe, dann trage ich sie auch. Wenn ich ein Buch kaufe, dann lese ich es auch. Wenn der Verdienst gut ist, lege ich Geld beiseite. Wenn der Verdienst knapp ist, muss ich besonders gut haushalten.

Ich konnte noch nie verstehen, warum Menschen Dinge/Nahrung kaufen, die sie nicht gebrauchen können, benutzen oder essen. Ein Beispiel: Ich erlebte einmal den Einkauf einer Bekannten, die sich mit zehn Kohlrabi eindeckte, weil sie so günstig waren. Acht davon warf sie letztendlich weg. Wo bleibt bitte der „Billig-Effekt“? Wenn ich schon viele einkaufe, dann friere ich sie doch wenigstens ein, oder?

Nächstes Beispiel: Kleidung. Ich besitze fünf Hosen, fünf Pullis, fünf T-Shirts, fünf Blusen. Das ist bei mir so eine praktikable Zahl, die immer funktioniert. Das Gute daran ist, dass ich nie Probleme mit der Auswahl von Kleidung oder einen überfüllten Schrank habe. Sobald ein Kleidungsstück aufgetragen ist oder mir überhaupt nicht mehr zusagt, entsorge ich es und kaufe dafür ein neues. Es gibt für mich zwei Winterjacken, zwei Sommerjacken und zwei Übergangsjacken. Auch das ist eine praktische Anzahl für mich, wenn eine Jacke gewaschen werden muss.

Mit Schuhen ist es ähnlich. Ich habe nie unter einem „Schuhtick“ gelitten und bin sehr froh darüber, denn ich bin immer wieder fassungslos, wenn ich sehe, wie viele Frauen und Männer unendlich viele Schuhe besitzen müssen und Geld dafür ausgeben, obwohl sie doch nur zwei Füße haben! Ich halte es wie mit den Jacken: zwei Paar Sommerschuhe, zwei Paar Übergangsschuhe und zwei Paar Winterschuhe. Dann besitze ich noch zusätzlich ein Paar gute Wanderschuhe. Das macht Sinn, weil ich viel wandere.
Dafür, dass ich so wenig Schuhe besitze, kann ich mir auch gute Schuhe leisten. Sie haben oft eine so gute Qualität dass ich sie ganze Saison über tragen kann. Manche halten sogar über mehrere Jahre. Mein Geschmack bleibt immer gleich, also brauche ich nicht nach Modetrends zu schauen.

Ich konnte noch nie Menschen verstehen, die einen überfüllten Kleiderschrank besitzen und dann sagen: „Ich weiß nicht, was ich anziehen soll.” Ich frage mich „Wieso?“, denn es ist doch genug da! Durch dieses Überangebot (Reizüberflutung) kommt der Mensch doch nur in Entscheidungsnöte. Warum soll ich mir so etwas antun? Ich habe sogar Haushalte gesehen, in denen der Kleiderschrank so überfüllt war, dass man schlichtweg nichts mehr hineinhängen oder herausholen konnte und die Person von nur ein paar Kleidungsstücken lebte, die sie auf einem Stuhl platzierte. Dann sah ich Haushalte, die fünf oder sechs verschiedene Essservice besaßen, aber nur eins benutzten. Warum? Nur des “Habens oder Gefallens” wegen? Wenn ich alles kaufen würde, was mir gefällt … oh mein Gott, wo käme ich da hin?

Ich erkläre mir meine Einstellung damit, dass ich von Natur aus schon unter Reizüberflutungen leide. Ich nehme oft mehr wahr als andere und versuche mein privates Umfeld so übersichtlich wie möglich zu halten. Jede unnötige Anschaffung belegt eine Zelle in meinem Gehirn und benötigt Aufmerksamkeit. Je weniger ich besitze, desto befreiter fühle ich mich. Am liebsten würde ich in einer ganz kleinen Holzhütte leben und nur die nötigsten Dinge besitzen. In dem Begriff “nötig” ist der Begriff “Not” enthalten. Also frage ich mich immer: Ist das nötig? Erleide ich Not, wenn ich das nicht kaufe? Viel kaufen heißt für viele vielleicht “belohnen, sich wohlfühlen”. Ich belohne mich durch Ruhe, Alleinsein, Lesen, Wandern und geringen Besitzstand, also Überschaubarkeit.

Es ist mir immer wieder eine große Freude, einmal im Jahr den Haushalt auszumisten und es wirkt wie ein Befreiungsschlag auf mich.

Dadurch, dass ich nicht nach Lust und Laune Kleidung, Schuhe, Essen und sonstige Dinge kaufe, habe ich auch keine Probleme mit Geld. Alle meine Anschaffungen sind auf Nutzbarkeit ausgerichtet. Dadurch habe ich in meinem Leben nie finanzielle Not gelitten.

Dafür bleibt mir etwas mehr Geld für andere Dinge, auf die ich großen Wert lege: Wohnen und Reisen. Für mich war es immer wichtig, in einem Haus zu leben, weil ich die Unabhängigkeit darin mag. Ich muss keinen Trockenraum, Keller oder Maschinenraum mit anderen teilen und mich auf andere einstellen. Ich begegne niemanden während meiner alltäglichen Hausarbeit und kann in Ruhe alles so einrichten und anordnen, wie es mir passt. Ich mag keinen Tratsch und Smalltalk im Treppenhaus und keine unerledigten Reinigungsdienste. Das macht mich aggressiv, weil ich es mit unfairem Verhalten dem anderen gegenüber verbinde.

Das alles sind Gründe, warum Geld für mich nebensächlich ist. Meine Lebensansprüche sind sehr niedrig und übersichtlich. Ich kaufe sehr gerne in Second Hand Läden oder auf Trödelmärkten ein. Gebrauchte und auch alte Dinge (besonders Möbel) gefallen mir oft besser als dieser neumodische Kram.

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Stereotypische Musik

Ich glaube, meine Eltern, mein Bruder und meine Nachbarn haben wegen meiner Musikmacke sehr gelitten! Wenn ich eine neue Langspielplatte hatte, die mir gefiel, dann leierte ich sie so lange auf dem Plattenspieler, bis sie nur noch krächzte. Ebenso war es mit Cassetten. Sie wurden bis zur Unhörbarkeit gespielt. Diese Macke besaß ich schon immer. Heute leiere ich immer die gleichen CDs bis zum Wahnsinn. Doch ich nutze oft die Zeit, wenn ich alleine bin, damit meine Familie nicht allzu sehr darunter leidet.

Wenn mir Musik gefällt, dann kann ich sie ununterbrochen hören. Immer die gleiche. Oft ist es die Stimmfrequenz, die mich besonders anspricht und beruhig. Zusätzlich liebe ich Gitarren- und Klavierklänge.
Ich habe nicht allzu viele CDs, aber wenn ich eine liebe, kann ich sie wochenlang anhören. Solange, bis ich eine Neue finde. Ich kenne jeden Ton und jedes Wort auswendig. Das ist sehr nervig für die Menschen, die mit mir leben.

Früher hörte ich John Denver, kaufte jede LP und lernte all seine Lieder auf Gitarre spielen. Hinzu kamen Police, Dire Straits, U2, Chris Rea, Phil Collins, Pink Floyd und einige andere. Auf der Gitarre spielte ich bevorzugt Folksongs, aber wenn ich am Wochenende in die Rockdisco fuhr, konnte es nicht rockig und laut genug sein.
Je lauter die Musik, desto mehr kann ich entspannen. Ich erholte mich während meiner Jugend regelmäßig am Wochenende in einer Rockdisco von der stressigen Schulzeit. Mein Bruder versuchte mich in eine normale Disco mitzunehmen, aber die Musik sprach meinen Geschmack überhaupt nicht an.

Wenn ich Musik nicht mag, dann kann es passieren, dass ich Feiern oder Veranstaltungen deswegen sogar verlasse, weil sie extrem auf meine Stimmung drückt. So kann mich Musik auch stark stressen, ermüden oder gar aggressiv machen.
Wenn ich lange Fahrten mit dem Wagen unternehme, zum Beispiel nach England, dann höre ich bis zu 16 Stunden lang laute Musik. Sie hält mich wach, entspannt mich und macht mich glücklich.

Das stereotypische Hören von Musik begleitet mich schon von Kindheit an. Bestimmte Kinderlieder sang ich solange, bis meine Mutter bat, ich solle aufhören.
Des weiteren habe ich bis vor wenigen Jahren über das ganze Jahr hinweg „Jingle Bells“ gepfiffen, weil die Weihnachtszeit einen besonderen Zauber auf mich ausübt. Das nervte viele, aber ich konnte es lange Zeit nicht abstellen.
Wenn ich gestresst bin, beginne ich immer irgendein Lied zu pfeifen. Das holt mich etwas runter.

Musik ist sehr wichtig in meinem Leben und bedeutet mir sehr viel. Es ist neben den Geräuschen der Natur das wichtigste Geräusch, um mich zu beruhigen. Ich genieße es sehr, wenn ich alleine bin und immerzu die Musik hören kann, die ich derzeit liebe. Es ist für mich undenkbar, mit einem Menschen zusammen zu leben, der nicht „ein bisschen“ meinen Musikgeschmack teilt, weil es eine große Bedeutung für meine Gefühle hat. Und Gefühle sind in meinem Leben das Barometer für Energie.

Wenn ich keine Musik mehr höre, ist das ein Zeichen, dass es mir sehr schlecht geht.

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Meine Schulzeit

Meine Schulzeit betrachte ich mit gemischten Gefühlen.

Ich ging gerne in die Grundschule und war eine gute Schülerin. Ich liebte das Lernen und besonders das Lesen und Schreiben. Damals versuchte ein Mädchen meine beste Freundin zu sein, was aber nicht funktionierte, weil ich völlig andere Interessen hatte. Ich begann schon sehr früh Zeitungsartikel zu sammeln und Wortspiele zu erfinden. Zudem hielt ich mich gerne allein im Wald auf, während andere auf der Straße zusammen spielten. Dennoch hatte ich zu allen Klassenkameraden und Nachbarskindern ein gutes Verhältnis, war aber eher unauffällig, so dass sich viele kaum an mich erinnern. Ich war bevorzugt mit Jungen zusammen, weil sie viel interessantere Sachen machten als Mädchen. Ich mochte weder Schmuck noch Röcke noch lange Haare mit Schleifen. Früher gab es „Hot Pens“. Das waren kurze Hosen mit Miniröcken darüber, die vorne durch einen Schlitz geöffnet waren. Ich zog in der Schule regelmäßig diesen blöden Rock aus und auf dem Heimweg wieder an. Im Winter hasste ich Strumpfhosen, liebte aber Steghosen mit dicken Wollpullovern. Ich mochte keine Lackschuhe, sondern bequeme Ledersandalen.
Später kaufte ich meine Schuhe häufig in der Jungenabteilung, weil sie einfach bequemer waren.

In der weiterführenden Realschule fand ich gar keinen Anschluss, weil ich dort große Probleme mit den Lehrern hatte, die mich ständig am Arm oder den Schultern berührten und meine Lernfähigkeit damit so beeinflussten, dass ich nichts mehr aufnehmen konnte. Ich hatte zu einigen Jungen Kontakt und saß meistens in den Pausen in irgendeiner Ecke und schrieb irgendwelche Sachen.

Durch meine Lernunfähigkeit in der Realschule wurde ich nach zwei Jahren in die Hauptschule heruntergestuft. In dieser Klasse wurde ich sehr freundlich aufgenommen, schnell zur Klassenbesten und dann zur Klassensprecherin gewählt. Viele mochten meine außergewöhnliche Art, Geschichten zu schreiben und die englische Sprache anzuwenden. Ich war die Einzige in der Klasse, die Amerikanisch sprach und Nachhilfeunterricht im Fach Englisch gab. Allerdings fand ich wieder keine feste Freundin. Dafür waren meine Interessen zu seltsam. Ich beschäftigte mich mit den Texten und dem Leben von John Denver, zudem mit Rockmusik, den USA, dem Gitarrenspiel und schrieb ohne Unterlass irgendwelche Geschichten und Krimis. Ich interessierte mich nicht für Petting, Schmuck, Schminke und Mode. Das machte allerdings einige Jungen aufmerksam und ich hatte mehr männliche Freunde als weibliche. Aber eine feste Freundschaft? Keine Chance! Es gab diverse Interessenten, aber sie interessierten mich nicht. Schon allein der Spruch „Willst du mit mir gehen“ löste in mir Unverständnis aus. Meine Antwort wäre „Wohin?“. Ich fand das „Mit-dir-gehen“- System unglaublich lächerlich. Entweder war man miteinander näher befreundet und mochte sich sehr oder nicht. Auch das Getuschel der Mädchen über Jungen fand ich dämlich. Auf mich wirkte es immer wie das Gackern von Hühnern. Ich bekam in der 10. Klasse ein Mofa und düste damit in die nächste Rockdisco! Es waren immer ein paar Jungen aus meiner Klasse dabei. Ich trug keinen Schmuck, keine Röcke, keine Stöckelschuhe und keine Schminke. Ich trug abgefahrene, verrückte Klamotten, die ich zum Teil selbst nähte oder im Second Hand Laden kaufte. Ich war ein völlig untypisches Mädchen.

Während meiner Ausbildung in der sozialpädagogischen Fachschule lernte ich meine erste gute Freundin kennen. Wir waren uns ziemlich ähnlich und hatten in vielerlei Hinsicht die gleichen Ansichten. Der Kontakt zu dieser Freundin besteht noch heute.

Im Hinblick auf meine Schulzeit kann ich sagen, dass ich nicht das typische ausgegrenzte Schülerleben hinter mir habe, wie es viele Asperger von sich berichten. Ich würde es eher als abgegrenzt bezeichnen, wobei ich die Abgrenzung selber bestimmte. Ich lernte gerne, fühlte mich aber nie zu irgendwelchen Mitschülern besonders emotional hingezogen, weil ich in meiner Freizeit viel lieber alleine meinen Interessen folgte, die sich merklich von denen anderer unterschieden. Es kam nie zu einer Beziehung zu einem Jungen während meiner Schulzeit, weil ich danach überhaupt kein Bedürfnis hatte. Dennoch pflegte ich zu einigen Jungen ungezwungenen Kontakt in meiner Freizeit. Ich lernte von einem Jungen das Gitarrenspiel, hielt Briefkontakt zu einem Jungen in England und fuhr mit einigen Jungen regelmäßig in die Rockdisco. Die laute Musik entspannte mich damals schon sehr. Das ist heute noch so. Genau wie das stereotypische Hören von Musik.
Für mich stand in meiner Jugend fest, dass ich eines Tages einen englisch sprechenden Mann heiraten wollte, weil ich Englisch viel lieber spreche als Deutsch. Doch das Leben hatte andere Pläne. Ich heiratete mit 20 Jahren einen Deutschen!

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