Sich in Menschen täuschen – meine Spezialität

Leider passiert mir das immer wieder und es wird auch nicht besser.

Mein Instinkt für andere Menschen ist ziemlich gestört, was mich immer wieder zum Opfer macht, von anderen ausgenutzt zu werden.

Diese Feststellung ist bitter für mich, weil ich im Grunde gerne mit anderen zusammen arbeite oder ihnen helfe. Doch leider kommt zum Schluss oft eine Enttäuschung heraus.

Meine Gutgläubigkeit und mein Optimismus sind Stärken, die ich an mir liebe, weil sie das Leben erleichtern. Diese Stärken erkennen Menschen schnell, die genau das Gegenteil haben, nämlich Misstrauen und Pessimismus. Damit diese Menschen in ihrer negativen Haltung eine Balance finden, gehen sie immerzu auf die Pirsch nach Leuten, die das ausgleichen, ohne dafür zum Schluss dankbar zu sein.

Ich habe einige Jahre sehr gerne auf einer englischen Farm meine Bücher geschrieben und die Menschen dort als wirkliche Freunde empfunden. Sie behandelten mich wie ein Familienmitglied, was mir ein sicheres Gefühl gab.

Natürlich kamen Warnungen von nicht autistischen Menschen, die schon längst durchschaut hatten, was los war.
„Solange du denen Geld gibst, sind sie deine Freunde“, bekam ich zu hören.

Ich mag solche Aussagen gar nicht annehmen, weil mich augenscheinlich freundliche Menschen schnell überzeugen können, doch in der Tat, ich musste für den Aufenthalt natürlich bezahlen. Doch ich dachte, dass die Freundlichkeit der Farmbetreiber tatsächlich ehrliche und zwischenmenschliche Aspekte hätte.

Wieder mal weit gefehlt. Man täuschte mich. Seitdem ich mein eigenes Haus in England bewohne und dort meine Bücher schreibe, ist der Kontakt abgebrochen. Ich teilte diesen Menschen zuvor mit, dass ich autistisch sei, keine Telefonate mag und gerne über Briefe und Karten kommuniziere und Kontakt darüber halten würde. Oder eben hin und wieder der persönliche Besuch. Man wusste also Bescheid und fand das toll.

Tja, seit über 4 Jahren schreibe ich regelmäßig Karten zum Geburtstag, Weihnachten und Briefe zwischendurch. Fuhr mehrmals hin und nahm mir viel Zeit für alle. Doch man begegnete mir eher abweisend als willkommen. Seit 1 ½ Jahren kann ich nicht mehr wegen der Pandemie persönlich erscheinen, um mich zu schützen. Auch das schrieb ich.
Ich bekam nicht ein einziges Zeichen als Dank zurück. Kein Gegenbesuch, keine Karte, keinen Brief oder vielleicht doch nur ein kurzer Anruf, obwohl ich meine kompletten Kontaktdaten hinterlassen hatte. Sogar Einladungen hatte ich ausgesprochen. Nicht ein Zeichen kam zurück.

In solchen Momenten verstehe ich das Gefasel von Freundschaft und Freundlichkeit nicht. Nein, bei Geld hört die Freundschaft bekannter Weise ja auf. UPS!

Ich wurde während meines Aufenthalts auf der Farm dort praktisch arglistig getäuscht. So empfinde ich es heute. Das schmerzt, weil mir diese Menschen sehr ans Herz gewachsen waren. Ich brach den Kontakt ab.

Menschen ohne Autismus durchschauen solche Situationen recht schnell. Ich brauche dazu immer länger.

Genauso erging es mir auch schon mit einigen früheren Freunden, Autorenkollegen und Buchbloggern. Solange ich lieferte, waren sie freundlich.

Meine Nachbarn ebenso. Da ziehen wir als Europäer in eine Doppelhaushälfte und möchten natürlich auch unsere Gastfreundschaft zeigen, indem wir freundlich sind und unsere Hilfe in der Not anbieten. Tja, man griff freundlich zu. Die Not war schnell da. Das ältere Ehepaar ließ sich von meinem Mann „mal eben nebenbei“ den Rasen mähen, weil der Nachbar einen Herzschrittmacher hat. Weil der Herr mal während eines Sturm, als wir in Urlaub waren, unseren kleinen Anhänger am Straßenrand mit einem Stein befestigt hatte, ließ er sich von mir als Gegenleistung die Fenster putzen. Kein Zeichen der Dankbarkeit.  

Bis mir der Kragen platzte und ich deutlich machte, dass wir nicht die Versorgung anderer Haushalte übernehmen könnten. Ich sagte das natürlich freundlich, doch was passierte? Man sah uns in der Stadt nicht mehr an und drehte sich weg, wenn man uns begegnete. Im Garten wechseln wir kein Wort mehr miteinander.

Eine sehr unschöne Ruhe für mich. Ich verabscheue Zank und Streit.
Bin ich so falsch oder hat mich meine Gutgläubigkeit wieder einmal getäuscht?


Ach, ihr Lieben, immerzu passieren solche Sachen und es hört nicht auf. Ich möchte meine Gutgläubigkeit auch nicht aufgeben, aber ich zwinge mich derzeit dazu, anderen meine Hilfe nicht mehr anzubieten. Das mache ich nur noch bei ganz bestimmten Menschen und dann auch nur solange sie das zu schätzen wissen. Doch es werden trauriger Weise immer weniger.

„Mit den Blöden kann man es ja machen“. Ein bekannter Spruch. Ja, als autistischer Mensch wird man leider oft als einfältig oder blöd betrachtet, was das System der Inklusion so gut wie unmöglich macht.

Nun kann man sagen, das passiert auch nicht autistischen Menschen.

Stimmt!

Doch für mich sind solche Erfahrungen doppelt schlimm. Gerade wenn meine Freundlichkeit mit Gemeinheit beantwortet wird. Da reden viele Menschen von „sozialem Verhalten“ und wenn ich es anwende und freundlich bleibe trotz Wut im Bauch, ändern diese ihre Ansicht mal eben und wenden das asoziale Verhalten an, was man Autisten leider oft vorwirft.

Was denn nun? Ach, ist das alles ein Irrsinn. Ich verstehe die Menschen oft nicht. Auch nicht deren Sprache.

Auf diese Weise prägt sich die Gesellschaft selbst, denn auch der Autist reagiert. Er reagiert nur anders. Er reagiert oft sehr konsequent.

Ich z.B. breche brutal alle Verbindungen ab. Menschen, die eine Grenze bei mir überschreiten, lösche ich komplett aus meinen Leben. Dann begegnen sie mir plötzlich nach langer Zeit wieder auf der Straße und schmelzen dahin vor Freundlichkeit. Ich hingegen schaue in diesem Falle an ihnen vorbei. Und schon wird gemunkelt: „Die Autisten sind kalt und unempathisch. Sie haben kein Benehmen.“

Ihr lieben Menschen, von denen ich gerade rede: Bevor ihr so etwas sagt, stellt euch vor einen Spiegel und schaut euch dabei selbst in die Augen.

Ich jedoch freue mich über jeden, der mir ehrlich und auch dankbar begegnet. Der weiß, was Wertschätzung bedeutet und es auch praktiziert. Das erleichtert mir enorm meinen Alltag. Deswegen geht mein größter Dank an diese Menschen. 

(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)



Dennis – oder besser „Elias und die goldene Ananas“

Dies wird ein etwas anderer Blog, als man bisher von mir gewöhnt ist, denn er handelt nicht direkt von mir, sondern von jemand anderem …

Es ist immer wieder erstaunlich, wie ähnlich sich Menschen mit Asperger-Syndrom sind. Mich erreichen fast täglich Emails von Lesern meiner Blogs oder Bücher, worin eindringlich geschildert wird, dass sie das Gefühl haben, ich hätte den Text über sie verfasst. Und in der Tat, es gibt oft viele Gemeinsamkeiten.

Es war ein purer Zufall, dass mich eine Nachricht erreichte, die sich anders anhörte. Damit will ich euch heute Dennis Kornblum vorstellen. Oder sollte ich besser Elias Bach sagen? Die beiden verbindet etwas, nämlich die goldene Ananas. So der Titel seines ersten Romans.
Dennis ist ein Neuautor, der sich zwecks Austauschs unter Autoren bei mir meldete. Ein Asperger-Autist, der über einen Asperger-Autist einen Roman verfasst hat. Und der hat es in sich!

Der Titel „Die goldene Ananas“ weckte schon mal meine Neugier.
Dennis nennt seinen Protagonist Elias Bach und zeichnet einen Alltag in der Geschichte, der seinem ähnelt.

Ich bestellte mir das Buch und begann zu lesen. Tja, nun war ich die, die glaubte, jemand habe ein Buch über mich verfasst, auch wenn die Interessen von Elias nicht meine sind und auch mein Alltag etwas anders aussieht, aber „der Schuh passte“. Und nicht nur das, ich fand auch interessante Aspekte, die mich meine Söhne besser verstehen ließen, so schildert Dennis doch das Leben eines männlichen Aspergers.

Ich nahm weiteren Kontakt zu ihm auf, um mitzuteilen, dass ihm mit dieser Geschichte ein äußerst guter Roman gelungen sei. So erfuhr ich, dass er das Ziel verfolge, als Schriftsteller auf dem Buchmarkt durchzustarten. Die ersten Rückmeldungen zu seinem Buch sind hervorragend.

Warum verfasse ich diesen Blog über Dennis?
Das will ich euch gerne erklären.

Viele Menschen mit Autismus sind arbeitslos oder berufsunfähig. Sie erleiden Depressionen und Ängste. Für diese Menschen ist es nicht leicht, plötzlich in eine Masse hineinzuschwimmen, wie in diesem Falle die Buchbranche, und dort mit einer bestimmten Einstellung in Sachen Gerechtigkeit und Ehrlichkeit zu bestehen. Wie in jeder Handelsbranche sind das nicht gerade die Tugenden des Geschäfts. Autisten müssen starke Kompromisse eingehen, wenn sie in einer Welt voller Regeln von nicht autistischen Menschen existieren möchten.

Dennis hat sich entschieden, es zu wagen und bekam recht schnell die Härte des Geschäfts zu spüren, als ihn die erste Ungerechtigkeit erreichte.
Wir Asperger-Autisten erleiden sehr schnell das Gefühl von Schuld oder schlechtem Gewissen, weil uns die spontane soziale Interaktion, wie nicht autistische Menschen sie führen, zu schaffen macht. Zur Wehr zu setzen fällt uns schwer.

Die nächste Frage wäre: Wie wehrt man sich „angemessen“ in der Buchbranche? Ist man ehrlich und schlägt mit gleichen Mitteln zurück oder lügt man den anderen mit erweichenden Worten an, um der sozialen Etikette zu entsprechen? Dazwischen gibt es nicht viel. Für Asperger-Autisten ein schweres Unterfangen, weil er nur ungern lügt. Die Lüge macht ihm zu schaffen. Er mag ehrliche und gerechte Konversationen. Gleichzeitig ist er einem Streitgespräch oft nicht gewachsen.

Aus meiner Sicht gibt es nur zwei Wege in dieser Branche: Seine Standpunkte vertreten und sich durchkämpfen oder lächelnd über die Welt der zwei Sprachen hinwegsehen. Gelassenheit ist ein wichtiges Thema und nicht gerade die Stärke eines Asperger-Autisten. Ein mitunter anstrengender Prozess, aber die Übung zahlt sich aus.
Da vielen Asperger-Autisten auch die Intuition zu schaffen macht, benötigt er genau diese Übung, um herauszufinden, wogegen er sich wehrt und worüber er einfach hinwegsieht.

Viele Autisten haben schon Bücher verfasst, doch diese auch zu vertreiben oder gar einen guten Verlag dafür zu begeistern, ist für sie extrem harte Arbeit.

Ich würde mir wünschen, dass Dennis sich durchkämpft, weil ich glaube, dass noch viele gute Romane folgen werden, die Menschen lesen sollten, ob autistisch oder nicht autistisch. Üblicherweise sind Menschen mit Autismus sehr hartnäckig, was die Ziele betrifft, die sie sich setzen.
Jeder Schritt zählt, der die Menschen miteinander verbindet.
Ich gestehe Dennis mit seiner Art zu schreiben gute Chancen ein, ein anerkannter Schriftsteller zu werden und unterstütze sein Tätigkeit und Ziele, auch in Hinsicht darauf, damit ein wirklich gutes „Handwerk“ als Lebensaufgabe zu sehen, was für Asperger Autisten ein wichtiger Faktor ist.

Damit ihr endlich erfahrt, um welches Buch es sich handelt, hier der Klappentext zu
Die goldene Ananas
Der junge Elias lebt seit fünfeinhalb Jahren in Wohnheimen für gemeindenahe Psychiatrie. Er hat die Diagnose Asperger-Syndrom und steht jeglichen Veränderungen ängstlich und grundsätzlich ablehnend gegenüber. Daher erfüllt es ihn eher mit Widerwillen, dass er nun in eine eigene Wohnung ziehen soll, in das Dachgeschoss eines Fünfparteienhauses. Hier geht es ihm anfänglich nur darum, möglichst seine Ruhe zu haben und seinen streng strukturierten Tagesablauf einzuhalten, der aus einer sechsstündigen E-Gitarren-Einheit, dem Konsum von Death-Metal-Alben, dem Schauen von Filmen und genau getimten Mahlzeiten und Zigarettenpausen besteht. Nach und nach werden jedoch die übrigen Hausbewohner auf ihn aufmerksam, und er kommt immer mehr in sozialen Kontakt, vor allem zu dem extrovertierten Endfünfziger Willi. Und plötzlich steht er vor ganz neuen Herausforderungen – Soll er es wagen, einer richtigen Band vorzuspielen? Die hübsche Kellnerin vom Café Auberge nach einer Verabredung zu fragen? Vielleicht hat Willi ja recht mit der „goldenen Ananas“…

Meine Meinung dazu:
Eine geniale und besondere Geschichte für alle Leser, aber besonders für solche, die zugleich etwas über das Asperger Syndrom/Autismus erfahren möchten. Sie verdeutlicht auf eine liebenswerte Art und Weise, wo die unsichtbaren Probleme der Betroffenen liegen, die vielfach unter uns in der Gesellschaft leben. Themen wie soziale Interaktionsschwierigkeiten, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Unsicherheit, Selbstkritik, Schuldgefühle, Angst und schlussendlich die Liebe kommen in der Geschichte zur Sprache, die sich sehr schön lesen lässt. Man beginnt eine Art Reise, wenn man in das Leben von Elias einsteigt.

Für mich als Betroffene des Syndroms war es das reinste Lesevergnügen, weil ich nahezu alle Emotionen und Gedanken von Elias, dem 26-jährigen Protagonisten mit Asperger Syndrom, nachvollziehen konnte. Kaum ist er vom Wohnheim in eine eigene Dachwohnung gezogen, lernt er die Mitbewohner des Hauses kennen. Solche, die ihn ermuntern und ermutigen, sich mehr auf die Menschen einzulassen, aber auch solche, die ihn schamlos ausnutzen.

Der Autor schildert auf beeindruckende Weise den Drang des jungen Mannes zum Perfektionismus und gleichzeitig die Sehnsucht, in einer ihm zunächst recht oberflächlich erscheinenden Welt dazuzugehören. Seine Bemühungen sind liebevoll, authentisch und manchmal sogar zum Schmunzeln, sodass es eine Freude ist, als Leser Gast in seiner Geschichte sein zu dürfen. Doch sind die Menschen um ihn herum wirklich so oberflächlich oder verbirgt sich ein Geheimnis in der Welt der nicht autistischen Menschen? Das will Elias herausfinden. Und was hat es mit der goldenen Ananas auf sich?

Zitat aus dem Buch: „Menschen können einem viel geben, wenn es die richtigen sind.“

Mir hat das Buch sehr viel Freude bereitet und erhält meine absolute Leseempfehlung. Unterhaltung und das Kennenlernen einer Lebensform im Autismus Spektrum zugleich. Als Erstlingswerk des Autoren eine sehr gute Leistung. Ich hoffe noch auf weitere Werke von Dennis Kornblum.

Jetzt seid ihr dran, liebe Leser des Blogs! Würde euch dieses Buch neugierig machen?

Link zum Buch:
https://tredition.de/autoren/dennis-kornblum-33279/die-goldene-ananas-paperback-138531/
Website:
denniskornblum.com

(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)

Dennis – oder Elias und die goldene Ananas

Dies wird ein etwas anderer Blog, als man bisher von mir gewöhnt ist, denn er handelt nicht direkt von mir, sondern von jemand anderem …

Es ist immer wieder erstaunlich, wie ähnlich sich Menschen mit Asperger-Syndrom sind. Mich erreichen fast täglich Emails von Lesern meiner Blogs oder Bücher, worin eindringlich geschildert wird, dass sie das Gefühl haben, ich hätte den Text über sie verfasst. Und in der Tat, es gibt oft viele Gemeinsamkeiten.

Es war ein purer Zufall, dass mich eine Nachricht erreichte, die sich anders anhörte. Damit will ich euch heute Dennis Kornblum vorstellen. Oder sollte ich besser Elias Bach sagen? Die beiden verbindet etwas, nämlich die goldene Ananas. So der Titel seines ersten Romans.
Dennis ist ein Neuautor, der sich zwecks Austauschs unter Autoren bei mir meldete. Ein Asperger-Autist, der über einen Asperger-Autist einen Roman verfasst hat. Und der hat es in sich!

Der Titel „Die goldene Ananas“ weckte schon mal meine Neugier.
Dennis nennt seinen Protagonist Elias Bach und zeichnet einen Alltag in der Geschichte, der seinem ähnelt.

Ich bestellte mir das Buch und begann zu lesen. Tja, nun war ich die, die glaubte, jemand habe ein Buch über mich verfasst, auch wenn die Interessen von Elias nicht meine sind und auch mein Alltag etwas anders aussieht, aber „der Schuh passte“. Und nicht nur das, ich fand auch interessante Aspekte, die mich meine Söhne besser verstehen ließen, so schildert Dennis doch das Leben eines männlichen Aspergers.

Ich nahm weiteren Kontakt zu ihm auf, um mitzuteilen, dass ihm mit dieser Geschichte ein äußerst guter Roman gelungen sei. So erfuhr ich, dass er das Ziel verfolge, als Schriftsteller auf dem Buchmarkt durchzustarten. Die ersten Rückmeldungen zu seinem Buch sind hervorragend.

Warum verfasse ich diesen Blog über Dennis?
Das will ich euch gerne erklären.

Viele Menschen mit Autismus sind arbeitslos oder berufsunfähig. Sie erleiden Depressionen und Ängste. Für diese Menschen ist es nicht leicht, plötzlich in eine Masse hineinzuschwimmen, wie in diesem Falle die Buchbranche, und dort mit einer bestimmten Einstellung in Sachen Gerechtigkeit und Ehrlichkeit zu bestehen. Wie in jeder Handelsbranche sind das nicht gerade die Tugenden des Geschäfts. Autisten müssen starke Kompromisse eingehen, wenn sie in einer Welt voller Regeln von nicht autistischen Menschen existieren möchten.

Dennis hat sich entschieden, es zu wagen und bekam recht schnell die Härte des Geschäfts zu spüren, als ihn die erste Ungerechtigkeit erreichte.
Wir Asperger-Autisten erleiden sehr schnell das Gefühl von Schuld oder schlechtem Gewissen, weil uns die spontane soziale Interaktion, wie nicht autistische Menschen sie führen, zu schaffen macht. Zur Wehr zu setzen fällt uns schwer.

Die nächste Frage wäre: Wie wehrt man sich „angemessen“ in der Buchbranche? Ist man ehrlich und schlägt mit gleichen Mitteln zurück oder lügt man den anderen mit erweichenden Worten an, um der sozialen Etikette zu entsprechen? Dazwischen gibt es nicht viel. Für Asperger-Autisten ein schweres Unterfangen, weil er nur ungern lügt. Die Lüge macht ihm zu schaffen. Er mag ehrliche und gerechte Konversationen. Gleichzeitig ist er einem Streitgespräch oft nicht gewachsen.

Aus meiner Sicht gibt es nur zwei Wege in dieser Branche: Seine Standpunkte vertreten und sich durchkämpfen oder lächelnd über die Welt der zwei Sprachen hinwegsehen. Gelassenheit ist ein wichtiges Thema und nicht gerade die Stärke eines Asperger-Autisten. Ein mitunter anstrengender Prozess, aber die Übung zahlt sich aus.
Da vielen Asperger-Autisten auch die Intuition zu schaffen macht, benötigt er genau diese Übung, um herauszufinden, wogegen er sich wehrt und worüber er einfach hinwegsieht.

Viele Autisten haben schon Bücher verfasst, doch diese auch zu vertreiben oder gar einen guten Verlag dafür zu begeistern, ist für sie extrem harte Arbeit.

Ich würde mir wünschen, dass Dennis sich durchkämpft, weil ich glaube, dass noch viele gute Romane folgen werden, die Menschen lesen sollten, ob autistisch oder nicht autistisch. Üblicherweise sind Menschen mit Autismus sehr hartnäckig, was die Ziele betrifft, die sie sich setzen.
Jeder Schritt zählt, der die Menschen miteinander verbindet.
Ich gestehe Dennis mit seiner Art zu schreiben gute Chancen ein, ein anerkannter Schriftsteller zu werden und unterstütze sein Tätigkeit und Ziele, auch in Hinsicht darauf, damit ein wirklich gutes „Handwerk“ als Lebensaufgabe zu sehen, was für Asperger Autisten ein wichtiger Faktor ist.

Damit ihr endlich erfahrt, um welches Buch es sich handelt, hier der Klappentext zu
Die goldene Ananas
Der junge Elias lebt seit fünfeinhalb Jahren in Wohnheimen für gemeindenahe Psychiatrie. Er hat die Diagnose Asperger-Syndrom und steht jeglichen Veränderungen ängstlich und grundsätzlich ablehnend gegenüber. Daher erfüllt es ihn eher mit Widerwillen, dass er nun in eine eigene Wohnung ziehen soll, in das Dachgeschoss eines Fünfparteienhauses. Hier geht es ihm anfänglich nur darum, möglichst seine Ruhe zu haben und seinen streng strukturierten Tagesablauf einzuhalten, der aus einer sechsstündigen E-Gitarren-Einheit, dem Konsum von Death-Metal-Alben, dem Schauen von Filmen und genau getimten Mahlzeiten und Zigarettenpausen besteht. Nach und nach werden jedoch die übrigen Hausbewohner auf ihn aufmerksam, und er kommt immer mehr in sozialen Kontakt, vor allem zu dem extrovertierten Endfünfziger Willi. Und plötzlich steht er vor ganz neuen Herausforderungen – Soll er es wagen, einer richtigen Band vorzuspielen? Die hübsche Kellnerin vom Café Auberge nach einer Verabredung zu fragen? Vielleicht hat Willi ja recht mit der „goldenen Ananas“…



Meine Meinung dazu:
Eine geniale und besondere Geschichte für alle Leser, aber besonders für solche, die zugleich etwas über das Asperger Syndrom/Autismus erfahren möchten. Sie verdeutlicht auf eine liebenswerte Art und Weise, wo die unsichtbaren Probleme der Betroffenen liegen, die vielfach unter uns in der Gesellschaft leben. Themen wie soziale Interaktionsschwierigkeiten, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Unsicherheit, Selbstkritik, Schuldgefühle, Angst und schlussendlich die Liebe kommen in der Geschichte zur Sprache, die sich sehr schön lesen lässt. Man beginnt eine Art Reise, wenn man in das Leben von Elias einsteigt.

Für mich als Betroffene des Syndroms war es das reinste Lesevergnügen, weil ich nahezu alle Emotionen und Gedanken von Elias, dem 26-jährigen Protagonisten mit Asperger Syndrom, nachvollziehen konnte. Kaum ist er vom Wohnheim in eine eigene Dachwohnung gezogen, lernt er die Mitbewohner des Hauses kennen. Solche, die ihn ermuntern und ermutigen, sich mehr auf die Menschen einzulassen, aber auch solche, die ihn schamlos ausnutzen.

Der Autor schildert auf beeindruckende Weise den Drang des jungen Mannes zum Perfektionismus und gleichzeitig die Sehnsucht, in einer ihm zunächst recht oberflächlich erscheinenden Welt dazuzugehören. Seine Bemühungen sind liebevoll, authentisch und manchmal sogar zum Schmunzeln, sodass es eine Freude ist, als Leser Gast in seiner Geschichte sein zu dürfen. Doch sind die Menschen um ihn herum wirklich so oberflächlich oder verbirgt sich ein Geheimnis in der Welt der nicht autistischen Menschen? Das will Elias herausfinden. Und was hat es mit der goldenen Ananas auf sich?

Zitat aus dem Buch: „Menschen können einem viel geben, wenn es die richtigen sind.“

Mir hat das Buch sehr viel Freude bereitet und erhält meine absolute Leseempfehlung. Unterhaltung und das Kennenlernen einer Lebensform im Autismus Spektrum zugleich. Als Erstlingswerk des Autoren eine sehr gute Leistung. Ich hoffe noch auf weitere Werke von Dennis Kornblum.

Jetzt seid ihr dran, liebe Leser des Blogs! Würde euch dieses Buch neugierig machen?

Link zum Buch:
https://tredition.de/autoren/dennis-kornblum-33279/die-goldene-ananas-paperback-138531/
Website:
denniskornblum.com


(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)

Wenn man zu viel von mir verlangt

Ich möchte gerne einmal über ein klassisches Bespiel berichten, was passiert, wenn man zu viel von mir verlangt.

Als Aspergerin ist es ohnehin schwer, Grenzen zu erkennen. Das Gefühl, sich in die totale Erschöpfung zu arbeiten, ist bei mir an der Tagesordnung. Wenn mich keiner zurückpfeift, lande ich meistens im Burnout.

Ich will von einem Fall berichten, der das verdeutlicht.

Ich bin nach England nicht nur wegen des schönen Landes und der Küste ausgewandert, sondern auch, weil ich einen Neustart im Leben suchte. Ich wollte alte, belastende Strukturen loswerden und endlich in Ruhe als Autorin arbeiten.
Um doch ein wenig mit Land, Leute und Kultur in meiner neuen Wahlheimat in Kontakt zu kommen, gibt es die wunderbare Möglichkeit des Volunteering – das ehrenamtliche Arbeiten. Überall werden Hilfskräfte gesucht.

Da sich direkt in meinem Nachbarort ein wunderschönes Schloss befindet, beschloss ich, dort als Volunteer tätig zu werden. Die Aufgabe war einfach: Du stehst praktisch als Raumwart in einem Zimmer und passt auf, dass die Besucher nichts beschädigen oder wenn sie Fragen zu dem Schloss oder dem Zimmer haben, erzählst du ein wenig.

Ich teilte in der Bewerbung mit, dass ich autistisch sei und es wichtig für mich ist, nur in einem und demselben Zimmer einmal die Woche für 3 Stunden zu stehen. Kein Wechsel und keine Veränderung. Ich lernte ein wenig über das Schloss und über die Einrichtung und Nutzung der ehemaligen Besitzer des Zimmers, für das ich mich entschied.

Meine Bewerbung wurde angenommen. Topp, die Wette gilt. 

Ich trat die Arbeit an, wählte Donnerstag von 14 bis 17 Uhr.
Toll, dachte ich, jetzt werde ich eine kleine „Schlossherrin“ und freute mich auf diese wunderbare Aufgabe.
Tatsächlich begann die Arbeit traumhaft. Schnell fand ich in die Sprache hinein, erzählte Besuchern von dem Zimmer und dem Schloss und lernte viele Nationalitäten kennen, weil bis zu 1000 Besucher täglich das Gebäude durchliefen. Es lag auf der Hand, dass ich danach ziemlich erschöpft aber zufrieden war.

Vor Antritt meiner Arbeit fand immer eine sogenannte Mitarbeiterbesprechung statt, die über Besonderheiten am Tag informierte, auf die wir achten sollten. Das machte mir schon ein wenig zu schaffen, weil es meinen Ablauf durcheinanderbrachte. Dann begannen Nachfragen, wer hin und wieder zusätzlich am Wochenende kommen und aushelfen könnte.

Ich bin so programmiert, dass ich mich immer sofort angesprochen fühle, wenn irgendwo Hilfe benötigt wird. Es fiel mir unglaublich schwer, nicht darauf zu reagieren, weil es meinen Alltag zusätzlich durcheinander brachte. Schließlich arbeitete ich daheim als Vollzeitautorin und konnte mir keine zusätzliche Auszeit leisten. Doch ich kam jedes Mal nach eine solchen Besprechung gestresst und mit einem schlechten Gewissen heim. Immerhin meldeten sich immer einige dazu, doch es waren Rentner, die Zeit und Lust dazu hatten.

Mein Wohlgefühl begann zu kippen, je öfter nach Zusatzarbeit gefragt wurde. Dann stand Halloween an, eine Zeit, zu der besondere Events angeboten wurden. Dann Weihnachten usw. Die Vereinbarung, dass das Schloss von Januar bis März schließen sollte, wurde ebenfalls durchbrochen. Man suchte in dieser Zeit ehrenamtliche Reinigungskräfte für das Schloss.

Mit anderen Worten, ich kam jedes Mal mit einem Schuldgefühl heim, denn ich war inzwischen die Einzige, die keinem Zusatztermin zusagte. Man begann mich im Team zu meiden und als unhöflich zu empfinden. Ich erklärte mein Problem mit klaren Regeln und meiner Arbeit, doch es interessierte niemanden.

Dann kam der Tag, der mein Fass zum Überlaufen brachte. Man teilte mich plötzlich ungefragt in ein anderes Zimmer ein, von dem ich keinerlei Informationen besaß. Man teilte mir mit, dass jeder Mitarbeiter alle Zimmer kennenlernen musste (über 20 Räume!), um flexibel eingesetzt zu werden. Ach herrje, das würde ich niemals schaffen. Ich bat erneut aufgrund meines Autismus` nur um dieses eine Zimmer. Man nahm es zähneknirschend hin.
Kurz darauf erhielt ich eine Email der Organisation mit folgendem Wortlaut: Don’t ruin Christmas. Ruiniere nicht das Weihnachtsfest. Darunter war erwähnt, dass man händeringend weitere ehrenamtliche Mitarbeiter suche. Verstand ich das richtig? Man warf den Mitarbeitern, die sich nicht meldeten, versteckt vor, das Weihnachtsfest des Schlosses zu ruinieren? Nun verfolgte mich dieses Schuldgefühl schon bis an meinen Arbeitsplatz.

Ich sah das ehrenamtliche Arbeiten als eine Art Freude an, nicht als reine Malocherei. Drei Stunden in der Woche waren für mich ziemlich viel, zumal ich an diesem Nachmittag auf meine eigene Arbeit verzichtete.

Ich kündigte kurzerhand nach dieser Email. War klar. Man hatte zu viel ungute Gefühle in mir geweckt. Ich fühlte mich mit jedem Tag, an dem ich aushalf, schlechter.

Als die Kündigung einging, war man erschrocken und meldete sich schulbewusst zurück. Ich müsste mich doch nicht gleich persönlich angesprochen fühlen. Man würde doch nur nachfragen.

Tja, bei mir ist es so, dass schon alleine das permanente Nachfragen eine Überforderung bei mir auslöst, der ich nicht gewachsen bin. Wenn ich einmal etwas zu meinem Asperger Syndrom erkläre, möchte ich es nicht immer wiederholen.

Was andere Menschen nicht im Geringsten stört oder mit Gelassenheit hinnehmen, löst bei mir ungute Gefühle aus. Ich kann das nicht. Bei mir löst es einen nicht endenden Denkprozess aus, vor dem ich mich immer wieder schützen lernen muss.   

(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen) 

Vom Wissen und der Ignoranz während der Covid-19-Krise

Es war für mich schon immer ein Problem, den Großteil der Menschheit zu verstehen. Ich meine, das was sie sagen und das, was sie tun. Worte und Verhalten. Beides klafft oft doch ziemlich weit auseinander, zumindest bei einer Großzahl der Menschen.

Vor einer ganzen Weile schrieb ich einmal einen Blog über Autismus und die Welt der zwei Sprachen. Darüber gibt es ein Buch. Worte, die anders gemeint sind, als sie bedeuten sollen. Simples Beispiel: „Ruf doch mal wieder an“ als Floskel. Du sollst gar nicht anrufen, sondern dieser Spruch wird unter sozialem Verhalten verbucht und soll freundlich klingen. Ich als Autistin ruf natürlich an. Man ist verdutzt am anderen Ende der Leitung. „Ach du…ja…“, bekomme ich zu hören und fühle mich direkt unwillkommen.
Aber okay, war nur ein Beispiel.

Wie kann es anders sein, dass mein Blog wieder von Covid-19 handelt? Nervig, nicht wahr? Ich finde es noch nerviger, dass alle wissen, was social distanz oder sozialer Abstand bedeutet, oder auch „Bitte 2 Meter Abstand halten“, damit wir uns nicht anstecken oder die Gefahr mindern, andere anzustecken. Jeder weiß es und dann schaue ich auf die Lockerungsmaßnahmen, als man uns Menschen wieder „freilässt“ und doch so viel Verantwortung zutraut, dass es funktionieren sollte.

Pustekuchen!

Ich als Autistin verstehe unter 2 Meter Abstand wirklich 2 Meter Abstand und halte sie ein, wo immer es möglich ist. Ich wechsle die Straßenseite, wenn der Bürgersteig eng wird, warte geduldig in einer Türnische, wenn mir jemand entgegenkommt und gehe niemals zu Stoßzeiten einkaufen, eben andere schützen und mich selbst.

Was muss ich feststellen? Boah, mir kocht gerade die Galle über…

Ich lebe in England, wo ähnliche Regeln wie in Europa ablaufen und stelle fest, dass sich die Menschen hier nicht anders verhalten, als woanders auch. Reisen ist hier wieder erlaubt.
Kaum ist die Sonne raus und die Temperaturen steigen an, wird zu den Küsten gerast, obwohl dort alle Parkplätze, Toiletten und Restaurants geschlossen sind, auch B&Bs, Pubs und Urlaubsunterkünfte. Nebenstraßen werden zugeparkt, sodass die Anwohner kaum noch aus ihren Ausfahrten herauskommen. Eine Reisewelle nach alter Methode bricht aus. Juhu, die Gewohnheit hat uns zurück!
Reporter sprechen die vermeintlichen Urlauber an. „Ist mir doch egal! Es wird sowieso alles übertrieben…“ Der Reporter sagt: „In dieser Region wohnen 2/3 alte und gefährdete Menschen.“ Der vermeintliche Urlauber sagt: „Das ist mir doch egal. Der hat die Küste ja direkt vor der Tür, ich nicht. Sollen die doch rauskommen, wenn wir wieder weg sind…“

Das ist nur eines von vielen Gesprächen, die Reporter zu berichten haben. Erschreckend! An den Kassen der Supermärkte drängen sich Käufer eng am Hintermann vorbei,weil er was vergessen hat. Die Tüte Chips ist um so vieles wichtiger, als die Ansteckungsgefahr.

Was mich so verwirrt ist: Verstehen die ihre eigene Sprache nicht? Warum machen viele Menschen etwas, obwohl sie wissen, dass es falsch ist? Eine grundsätzliche Schwäche, die ich immer wieder beobachte. Sicher, jeder hat Schwächen, aber warum schaden viele Menschen anderen so vorsätzlich und letztendlich sich selbst? Sind es nicht die gleichen Menschen, die später schimpfen, wenn es die eigene Mutter oder den Opa erwischt, die nicht genug Immunität gegen den Virus hatten?

Ich verstehe das einfach nicht, ehrlich. Ich beobachte es bei so vielen Dingen. Die Menschen wissen was passiert und tun es trotzdem. Warum?
Ich komme einfach nicht dahinter.

Wäre es nicht ehrlicher zu sagen: „Alle, die ihr Lust habt, die Alten und Kranken wegzuputzen, geht raus und verbreitet den Virus. Alle, die ihr an Herzinfarkt bald sterben wollt, fresst euch zu Tode. Alle die ihr eure Freunde und Familien verlieren wollt, sauft und vergrault sie. Alle, die ihr freundliche, hilfsbereite Menschen vertreiben wollt, beschimpft und vertreibt sie. Alle, die ihr eure Gesundheit ruinieren wollt, esst ungesundes Zeug und bewegt euch dabei nicht. “
Hand aufs Herz, das wäre doch wenigstens ehrlich und dann würde ich viele Menschen auch besser verstehen.

(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)
DSCN3960

Autismus – wenn ich keinen Job auf Dauer durchhalte …

Thema Arbeitsstelle oder Job als Autistin …
Ich habe früher alle 4 Jahre meine Arbeitsstelle gewechselt. Nicht, weil ich gekündigt wurde, sondern weil ich gekündigt habe. Immer wieder stellte ich fest, dass es an mir gelegen hatte. Ich habe meinen Aufgabenbereich zu ernst und zu genau genommen.

Kennt ihr das?

Ihr bekommt eine Aufgabe zugeteilt und erledigt sie mit hoher Disziplin, um möglichst keine Fehler zu machen. Ja, fehlerfreies Arbeiten war stets mein Bestreben. Alles musste verbessert und  optimiert werden. Und wehe, mir unterlief ein Fehler … ich konnte die ganze Nacht nicht Schlafen.
Die Perfektion, einer der größten Stärken vieler Autisten. Sie optimieren solange, bis der Kessel auch ordentlich kocht. Leider zum Leidwesen vieler Kollegen, die nicht autistisch sind. Sie lassen eine Fünf auch schon mal gerade sein. Der Autist sagt, eine Fünf kann nicht gerade sein, das ist unlogisch und von Menschen so im Sprachgebrauch festgehalten. Und schon wieder gibt’s Stress in der Arbeit.

Ich habe immer gerne gearbeitet, doch je länger ich in einem Job war, desto stärker wurde die Perfektion zu meinem Problem. Ich schaffte oft weit mehr als meine Kollegen, weil ich ausgefeilte Systeme einhielt, von denen keiner etwas wissen wollte. Vier Jahre lang hielt ich es aus, dann kündigte ich, weil man mich genau deswegen auszuschließen begann. Mir war es oft egal, was die anderen machten, doch denen war es nicht egal, was ich machte. Sie fühlten sich bedroht.

Ja, bedroht, das ist ein gutes Wort. Ich wurde oft zu einer Bedrohung und Herausforderung zugleich, Systeme zu verändern oder Arbeitszustände zu optimieren. Etwas, was nicht viele mögen. Chefs schon, Mitarbeiter weniger. Ich musste mit den Mitarbeitern auskommen, doch egal wie freundlich ich war, ich wurde zu einer Bedrohung. Und nach vier Jahren brach ich in der Regel zusammen und wechselte die Arbeitsstelle.

Mein Leben unterlag ständig diesem Wechsel, weil der Körper eine nicht unerhebliche Rolle dabei spielt. Psychosomatische Reaktionen stellten sich ein, Krankheiten folgten.

Ich entschloss mich irgendwann zu einer Hopp oder Topp Lösung. Es gab nur zwei Wege: Selbstständigkeit ohne Mitarbeiter oder Arbeitslosigkeit. Ich wählte die erste Variante, weil ich nicht ohne Arbeit leben kann, und begann Texte für Zeitungen zu schreiben. Dann meine ersten Bücher, die ich komplett selbst verlegte, weil ich bestimmte Ansprüche hatte. Ich verbesserte und optimierte, bis es mir gefiel, und niemand redete mir rein. Wie schön und wie erleichternd! Ich lernte ein vollkommen neues Arbeitsgefühl kennen.
Zwischendurch ließ ich mich dann doch auf zwei Verlage ein. Die Zusammenarbeit funktionierte nicht, weil Vertragsvereinbarungen nicht eingehalten wurden. Ich konnte wieder einmal nicht die Fünf gerade sein lassen. Also wechselte ich wieder in die Selbstständigkeit zurück.
Fazit:
Zum ersten Mal in meinem Leben arbeite ich seit 10 Jahren am Stück, ohne die Tätigkeit gewechselt zu haben. Es ist oft anstrengend, doch es fühlt sich gleichzeitig ungemein gesund an!! Ich muss mit niemandem diskutieren, außer mit mir selbst, und wenn ich mich ärgere, dann mache ich das mit mir alleine aus.

Auf diese Weise schuf ich mir meinen eigenen Arbeitsplatz. Mein gelernter Beruf der Erzieherin ist nicht der Beruf, den ich jetzt ausübe. Ich übe eine Tätigkeit aus, bei der ich uneingeschränkt meine Stärken zeigen kann. Das fühlt sich großartig an.
Inzwischen freue ich mich über den wachsenden Markt für autistische Mitarbeiter, die in erster Linie auf Stärken und nicht auf ihre Ausbildungspapiere geprüft werden. Sie fallen unter ein Ausnahmegesetz auf Grund der Diagnose.  Immer mehr Firmen werden auf Autisten spezialisiert und sensibilisiert. Mitarbeiter, die geschützt werden müssen, damit sie ihre Arbeit erledigen können. Immer mehr entdecken die Arbeitsqualität dieser Menschen.
(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)
DSCN3960

Gesichtsmaskenpflicht – ein Graus für mich als Aspergerin!

In Zeiten der Covid-19 Krise kommen Themen zustande, über die ich nie nachgedacht habe, doch jetzt sind sie hautnah vorgedrungen. Hautnah, im wahrsten Sinne des Wortes. Die globale Infektion des Virus läuft darauf hinaus, dass es in vielen Ländern zu der sogenannten Gesichtsmaskenpflicht kommt. Das ist mein AUS für „Freigänge“, wenn es auch bei abendlichen Spaziergängen eingehalten werden muss.

Warum?

Ich schrieb schon in einem älteren Blog, dass ich absolut nichts in meinem Gesicht ertragen kann. Schminke ist für mich undenkbar und sogar die Brille/Sonnenbrille kann ich nur mit ständigem Juckreiz und Kratzen aushalten. Ich schließe mal auf übersensible Nerven im Gesicht, besonders im Bereich der Nase. Das kleinste Staubkorn, was meine Nase erreicht, verursacht Juckreiz. Nun eine Maske vor dem Gesicht zu tragen, wäre katastrophal für mich. Ich würde ununterbrochen meine Haut reiben und die Maske letztendlich von meinem Gesicht reißen.
Ich lebe als Gefährdete schon wochenlang isoliert, doch mein abendlicher Spaziergang bei Einbruch der Dunkelheit ist für mich sehr wichtig, um überhaupt in Bewegung zu bleiben. Wenn ich dann auch noch eine Gesichtsmaske tragen muss, werde ich das Haus nicht mehr verlassen. Geschäfte betrete ich schon lange nicht mehr, nicht nur wegen der Ansteckung, sondern auch wegen der scharfen Gerüche der Desinfektionsmittel. Beim letzten Besuch vor einigen Wochen erlitt ich ein Augen-Ödem, eine allergische Reaktion. Mein linkes Auge schwoll zu.

Ich nehme Gerüche um vieles stärker wahr und diese konstante Chemie verursacht direkt ein Kratzen in meinem Hals. Ich bekomme Hustenreiz wegen dem Zeug und kann mich deswegen schon nicht mehr in geschlossene Räume wagen. Wenn mein Mann nicht alles Nötige zum Essen und Versorgen heranholt, müsste ich einen Einkaufs-Service beauftragen. Einkauf per Internet auf ganzer Linie. Deswegen gebührt meinem Mann mein größter Dank! Er hilft mir über vieles hinweg.

Die Sinnes-Überwahrnehmung stößt nun an eine mir Angst machende Grenze – die Gesichtsmaske. Ich weiß, wie wichtig sie ist. Ich weiß, dass es unumgänglich ist. Ich weiß aber auch, wie unmöglich es für mich ist, sie zu tragen. Endloser Juckreiz würden mich plagen. Ich habe schon starke Probleme, Mützen anzuziehen, von Helmen ganz zu schweigen. Alles, was meinen Kopf berührt, ist schlimm für mich. Ich kann nicht einmal zum Friseur gehen. Wenn jemand meinen Kopf berührt, fühlt er sich wie eine explodierende Bombe an.

Die Zeit an sich, in der sich alles entschleunigt, tut mir gut. Ich weiß nicht was es ist, aber alles „unnatürliche“ war schon immer mein Feind. Bereits als Kind träumte ich von der Hütte im Wald. Nur Natur um mich herum. Der Traum wird immer realistischer, als hätte ich schon im Alter von 5 Jahren gewusst, wo ich hingehöre. Mir bleibt nur die Flucht in immer einsamere Gegenden, um das Leben noch auszuhalten.

Ich weiß nicht, wie es anderen Menschen mit Autismus in dieser Richtung ergeht.

Meine Hoffnung ist die, dass die Menschen auf ganzer Linie solidarisch den Virus bekämpfen. Auch ich werde meinen Teil dazu beitragen und mich an die Regeln halten, weil wir alle verzichten müssen. Ich werde das Haus im Falle einer Gesichtsmaskenpflicht nicht mehr verlassen, um andere zu schützen. Immerhin habe ich noch meinen Garten und werde dort den Sommer verbringen. Ein (doch) großes Glück in Zeiten der Sorge und Not. Das haben nicht alle.
Ich wünsche allen Gesundheit und dass wir uns eines Tages wieder ohne übermäßige Chemie und Vermummung begegnen können.DSCN3960

(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)

Mein Leben als Asperger-Autistin während der Covid-19-Krise

Es bricht Ende 2019 ein gefährlicher Virus auf der Welt aus und alle Länder dieser Erde sind zu Recht in Aufruhr, diesen Virus unter Kontrolle zu bekommen. Ich rede von Covid-19, ein Virus, der die Lunge befallen und zum Tod bei immungeschwächten Menschen führen kann. Ein wahnsinniges Hilfsnetz wird aufgebaut, provisorische Krankenhäuser errichtet, das öffentliche Leben lahmgelegt.

Ich möchte jetzt nicht auf die große Menge der Krankheits- und Todesfälle eingehen, sondern auf etwas ganz anderes…

Wie begegne ich dieser Situation als Betroffene des Asperger Syndroms? Damit spreche ich nur für mich, nicht für andere. Bitte den Blog nicht verallgemeinern. Es gibt autistische Menschen, die leben in Betreuungen und dort ist es besonders bedrückend, weil die Übertragung des Virus stärker sein kann, als bei einem unabhängigen Menschen, der sich isoliert zurückzieht.

Die Isolation. Damit bin ich direkt beim Thema dieses Blogs …

Weltweit wird die Isolation angeordnet, um den Virus unter Kontrolle zu bekommen. Ich nahm zu vielen Autisten in dieser Zeit per Internet Kontakt auf und fragte nach deren Wohlbefinden, denn mein eigenes kam mir plötzlich beschämend und peinlich vor. Wieder einmal zeigt sich, wie anders ich gegenüber den Menschen ohne Autismus wahrnehme und fühle. Für mich bedeutet Isolation Ruhe, Stille, atmen können, Zurückgezogenheit und Wohlbefinden. Ist das verrückt? Auch die Rückmeldungen Mitbetroffener waren ähnlich meinen Gefühlen.

Ich befinde mich in der glücklichen Position, als freiberufliche Autorin von daheim aus meine Bücher schreiben und vertreiben zu können. Ich muss nicht raus, um eine Arbeitsstelle zu erreichen, sondern nur zum Einkauf oder Wandern. Damit möchte ich gerne mal meine kleine Welt vorstellen:

Ich mag es, isoliert von anderen Menschen zu leben
Ich mag es, isoliert von anderen Menschen zu arbeiten
Ich mag es, mich alleine zu beschäftigen
Ich mag es, Stille um mich zu haben
Ich mag es, spät abends Einkaufen zu gehen, wenn die Geschäfte leer sind
Ich mag absolut kein Bummeln in der Stadt
Ich mag es, Kontakt zu Freunden übers Internet und zur Familie übers Telefon zu halten
Ich mag es, wenn die Straßen leer sind
Ich mag es, wenn ich beim Wandern oder Spazierengehen niemandem begegne
Ich mag es, wenn die Welt eine Art Stillstand hat

Das sind alles Dinge, die von den Regierungen dieser Welt derzeit von allen Menschen gewünscht werden.

Sind Autisten wie ich jetzt im Vorteil?

Ich weiß, dass die Wirtschaft sehr leidet, deswegen arbeite ich jetzt besonders hart, um Verdienst einzufahren, keine Förderungen in Anspruch zu nehmen, und meine Steuern zahlen zu können. Doch, was ist mit den Menschen, die unter dieser Situation sehr leiden? Die in völlig anderen Strukturen leben, Nähe suchen, direkte soziale Kontakte vermissen, Versorgung benötigen, sich alleine unwohl fühlen, sich nicht beschäftigen können oder sogar das enge Zusammensein mit der Familie in die Aggression treibt?

Genau in diesen Momenten zeigt sich, wo die Unterschiede von autistischen und nicht autistischen Menschen liegen können. Ich weiß, dass viele Autisten öffentlichen Arbeiten nachgehen, sofern sie es bewältigen können. Für sie ist die Veränderung auch sehr schlimm, weil Abläufe durcheinander kommen und Systeme zerfallen. Doch ich weiß inzwischen von vielen Autisten, wie sehr sie sich wohl fühlen.

Muss sich ein Autist dafür schämen?

Also, ich schäme mich nicht, wenn ich durch mein Fenster hinaussehe, nichts als Stille und Ruhe sehe. Ich darf endlich sein, so kommt es mir vor. Der Motor in meinem Kopf kommt zum Stillstand, wenn ich raus gehe und nichts als Langsamkeit und Distanz wahrnehme.

Es kommt mir vor, als wenn wir nach wie vor in zwei Welten leben, die NTs und die Autisten. Nur die Seiten haben sich gewendet. Jetzt spürt der Mensch ohne Autismus vielleicht, wie schwer es ist, in genau der umgedrehten Welt zu leben.

Trotz allem wünsche ich allen Menschen, dass bald wieder Normalität einkehrt und jeder sein gewohntes Leben weiterleben kann.

Ich verbiete mir im Abschluss dieses Blogs, dass mich Menschen jetzt in den Kommentaren deswegen beschimpfen oder mich als unempathisch darstellen. Es sei erwähnt, dass ich seit Beginn der Krise in keine Panik gefallen oder Hamsterkäufe getätigt habe. Im Gegenteil, ich bin eine von denen, die plötzlich vor fast leeren Geschäften stand und die Rücksichtslosigkeit vieler Menschen nicht nachvollziehen konnte.

Ihr Lieben, vergesst nicht, ich lebe unentwegt in eurer Welt und beschimpfe euch deswegen auch nicht. Also, bitte den nötigen Respekt wahren, wenn ihr euch äußern wollt. Vielen Dank!
(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)DSCN3960

Die Überforderung

Gestern war wieder ein ganz typischer Tag, an dem ich die Überforderung, die mich im Alltag oft einholt, gut darstellen kann.
Viele Nicht-Autisten werden jetzt wahrscheinlich die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sagen: „Das ist nicht wahr…“
Doch, es ist wahr!

Ich hatte nur einen einzigen kleinen Termin in einer etwas größeren Stadt. Der Termin drehte sich um meine Insulinpumpe. Ich brauche eine neue und der Hersteller lud mich zu einem einstündigen Info-Vortrag am Abend ein, um mir das neueste Pumpen-Modell vorzustellen.
Meine Alltagsplanung war dahin, und das für nur gerade mal 1 Stunde.

  1. Problem:
    Wenn ein Termin gegen Abend in einer größeren Stadt stattfindet, muss ich sehr gut planen, wie früh ich bereits in der Stadt anreise, um nicht in den Abendverkehr zu kommen und eventuell den Termin zu verpassen. Ich hasse es, zu spät zu kommen. Also plane ich die Anreise am frühen Nachmittag ein, um sicher zu sein, auch zeitig zum Termin zu erscheinen.
  2. Problem:
    Ich muss meinen Arbeitsablauf komplett abändern und die ganze Tagesarbeit in den Vormittag schieben. Also ist höchste Konzentration gefordert.
  3. Problem:
    Ich muss mein Mittagessen, das ich immer gegen Nachmittag einnehme, in den Mittag verschieben. Habe dann aber noch keinen Hunger, also verzichte ich vorsichtshalber auf das Frühstück.
  4. Problem:
    Ich komme in einer Großstadt an und muss mich einige Stunden dort unter vielen Menschen irgendwie aufhalten, obwohl ich schon erschöpft bin von der veränderten Arbeits- und Essenszeit. Ich suche ruhige Orte, um Lautstärke und Bewegungen um mich herunterzufahren.
  5. Problem:
    Kurz vor dem Termin bin ich komplett ermüdet und schlafe am Tisch eines Cafés ein.
  6. Problem:
    Nun muss ich eine Stunde einem Vortrag folgen, bei dem ich so gut wie nichts mehr wahrnehme. Also konzentriere ich mich mit letzter Kraft. Viele Menschen sitzen um mich herum, rascheln und flüstern. Ich kann die Worte des Vertreters der Pumpe deswegen kaum verstehen.
  7. Problem:
    Der Vertreter der Insulinpumpe nimmt die Bestellung einer neuen Pumpe anschließend direkt auf, doch da sich so viele andere Menschen zu dem Vortrag eingefunden haben und noch im Raum diskutieren, wird die Geräuschkulisse für mich so groß, dass ich die Erklärungen des Herstellers nicht verstehe. Meine Augen brennen, ich habe Ohrensausen und bekomme ein Gefühl, das sich wie Fieber anfühlt. Ich nicke nur noch zu allem, um möglichst schnell der Situation zu entkommen.
  8. Problem:
    Im Parkhaus ist der Zahlungsautomat kaputt, er nimmt kein Bargeld an. Ich muss mit der Giro-Karte zahlen. Neuer Stress entsteht, weil ich noch nie mit einer Karte dort bezahlt habe.
  9. Problem:
    Ich entnehme die Karte nach dem Zahlungsvorgang und vergesse das Parkticket im Automaten, weil ich es gewöhnt bin, immer nur eine Karte zu entnehmen. Diesen Vorgang habe ich ja schon mit der Giro-Karte erledigt, also führe ich den weiteren Vorgang nicht mehr aus. An der Schranke bemerke ich das vergessene Ticket und renne zum Automaten zurück. Doch es ist weg.
  10. Problem:
    Ich muss Kontakt zu einer fremden Person über die Hilfe-Taste aufnehmen und ihr meine Situation erklären, damit man mir die Schranke öffnet. Ich bringe alles durcheinander und frage mich, ob man meine Erklärung überhaupt versteht. Lacht man mich jetzt aus?
  11. Problem:
    Ich finde kaum durch den Verkehr, weil sich alles um mich herum dreht.
  12.  Problem:
    Als ich wieder daheim ankomme, sind beide Augen so stark überreizt, dass ich kaum noch etwas sehen kann. Ein immer wiederkehrendes Problem bei mir bei Überforderungen. Ich kann den Alltag am nächsten Tag nicht mit der gewohnten Arbeit am Computer aufnehmen.

Was sich wie ein Krieg anhört, ist für mich oft Alltag. Dabei handelte es sich nur um einen kurzen Termin am Abend. Zu dieser Zeit kann ich so gut wie nichts mehr aufnehmen. Deswegen werden solche Termine für mich oft zu einer Art Höllentour, doch sie lassen sich leider nicht immer verschieben, weil es öffentliche Termine sind. Als Autistin bin ich dann oft „raus aus dem Spiel“. Was für Menschen ohne Autismus nur ein geringer Kraftaufwand ist, bringt bei mir ganze Welten durcheinander. Das ist der Grund, weshalb ich nicht einer regulären Arbeit mit einem Arbeitgeber nachgehen kann. Wie sollte ich ihm dieses Problem erklären, wenn er sich nicht gerade mit Autisten auskennt?

Wie gut, dass ich freiberufliche Autorin bin. Das Glück haben nur wenig Betroffene. Ich kann den Tag beginnen, wann immer ich will und werde jetzt erst mal die überreizten Augen wieder „entreizen“. Neuer Stress entsteht, denn ich muss die fehlende Arbeitszeit aufholen, die mir mein Perfektionismus vorgibt. Ein weiteres Thema, über das ich bereits schrieb…

(Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)
DSCN3960

Autismus und Fehlhörigkeit (auditive Wahrnehmungsstörung (AWS) )

Die Frage: „Wie können Sie am besten ihre Bücher schreiben?“ habe ich stets mit „In totaler Ruhe und Einsamkeit“ beantwortet. Ich kann mich auf nichts konzentrieren, sobald ich etwas höre oder Bewegungen um mich sind. Das war schon in meiner Kindheit so und hat mir in der Schule schwer zu schaffen gemacht. Wenn ich mir einen Platz in der Klasse aussuchen durfte, wählte ich ihn immer weit vorne. Ich wollte keine anderen Schüler dazwischen haben, die mich ablenkten. Jedes Geräusch und jede Bewegung unterbrachen mich in meinen Gedanken. Es ist mir heute noch unmöglich, im Garten ein Buch zu lesen, wenn ich Nachbarn um mich habe, die zur gleichen Zeit draußen sind wie ich. Auch im Haus kann ich nur lesen und schreiben, wenn alles komplett ruhig ist. Sobald ich gestört werde, verliere ich den Anschluss, was mich nicht selten sehr wütend macht.
Ich konnte noch nie in Gegenwart eines anderen irgendwelche Unterlagen lesen, verstehen und unterschreiben. Musste sie stets in einem ruhigen Moment lesen.

Erst letzte Woche fand wieder eine der typischen Situationen statt, in denen ich mit meiner Fehlhörigkeit auffiel. Ich stand am Schalter meiner Bank und fragte etwas. Im gleichen Moment begann hinter mir ein Mann mit seiner Frau zu reden und ich konnte die Antwort der Dame hinter dem Bankschalter nicht verstehen. Also fragte ich erneut nach. Sie erklärte mir natürlich alles noch einmal, doch der Mann hinter mir redete weiter. Als ich erneut erklärte, dass ich die Dame nicht verstehen würde, fragte sie mich, ob ich schwerhörig wäre. Nein, im Gegenteil, ich höre zu viel, erklärte ich ihr. Ich höre nämlich alles um mich herum, auch wenn andere in meiner Nähe reden. Ich verstehe jedes Wort und das macht es mir oft schwer, alles zu selektieren. Die Dame hatte natürlich Verständnis und wartete, bis der Mann hinter mir leise war.

So ergeht es mir häufig, doch im Laufe des Lebens entwickelte ich Strategien, um nicht aufzufallen. Da es sich oft um immer gleiche Abläufe handelt, lernt man praktisch wie ein Blinder zu sehen, indem man sich erinnert, wie alles aussah. So prägte ich mir natürlich Reaktionen ein, die in den meisten Fällen funktionieren, obwohl ich nichts verstehe.

Meine Fehlhörigkeit kann auch der Grund sein, warum ich Musik besonders gerne laut höre. Damit schalte ich alle Geräusche um mich herum aus und kann mich entspannen. Das macht sich besonders beim Autobahnfahren bemerkbar. Ich glaube, es hält kaum einer aus, mit mir zu fahren, wenn ich durch Musik den Stress bekämpfe. Es muss eine besondere Musik sein, die sich ständig wiederholt. Was andere nervt, entspannt mich.

Was passiert, wenn ich zu Lesungen auf Buchmessen muss?
Das ist Stress pur für mich, aber auch gleichzeitig eine große Freude, weil ich mich dabei in meinem Spezialinteresse befinde. Das wirkt wie eine Art Ausgleich. Doch der Moment, in dem ich lese und gleichzeitig die Hintergrundgeräusche des Messebetriebes höre, wird es wirklich stressig für mich. Ich kann mich nur schwer auf den Text konzentrieren und Fragen der Zuhörer nur unter großer Mühe beantworten. Lesungen in kleinem Rahmen sind hingegen sehr schön für mich. Dort ist es ruhig und ich kann die Stimmen und Geräusche besser selektieren.

Das Telefonieren ist ein weiteres Problem. Dabei treffen gleich zwei Probleme aufeinander. Zum einen mein Problem mit der spontanen sozialen Interaktion und der Fehlhörigkeit. Ich kann oft nicht angemessen auf Gespräche am Telefon reagieren, sondern rufe eingeübte Reaktionen ab, so dass andere mein Problem nicht bemerken. Nach dem Gespräch fallen mir dann die Antworten ein, die ich gerne gegeben hätte, doch sie waren im Moment des Gesprächs nicht abrufbar. Außerdem mag ich keinen Smalltalk.
Das andere Problem ist, dass ich durch schlechte akustische Signalqualität nicht alles verstehe und mich oft nicht traue, den anderen zu unterbrechen. So kommen bei mir nur Gesprächsfetzen an, die ich so gut es geht beantworte.
Viele Menschen können mein „Telefon-Problem“ nicht verstehen, weil ich doch immer so freundlich wäre, doch ich erkläre ihnen, dass es mich sehr viel Konzentration kostet, ein solches Gespräch zu führen. Es schenkt mir kein Wohlgefühl, wirklich nicht. Das führt natürlich dazu, dass ich wieder einmal als seltsam wahrgenommen werde.

Das Kaschieren von Problemen verursacht ein Unverständnis in der Gesellschaft. Doch ich frage mich, ob das Erklären und Zeigen meiner Probleme nicht das gleiche bewirkt…
Passen Freundlichkeit und Probleme überhaupt zusammen? Was ist also der richtige Weg?

Hier die Symptome der auditiven Wahrnehmungsstörung:

  • Geräuschüberempfindlichkeit,
  • Verwechseln oder Vertauschen ähnlich klingender Laute,
  • mangelhaftes Lokalisieren einer Schallquelle,
  • mangelhaftes Sprachverständnis bei lautem Geräuschhintergrund,
  • Überhören von Ansprache,
  • schlechtes Sprachverständnis bei schnell gesprochenen Sätzen,
  • mangelhafte Fähigkeit von Lauterkennung und Lautverschmelzung
  • visuelle Informationen werden bevorzugt und leichter verarbeitet als akustische,
  • Kinder sind beim Verstehen von Sprache auf das Mundbild angewiesen,
  • Schwierigkeiten beim Telefonieren aufgrund der reduzierten akustischen Signalqualität,
  • sekundäre psychische Symptome, oft ruhige und zurückgezogene Kinder und Jugendliche.

    (Meine Blogs gibt es auch zusammengefasst als eBook oder  Printausgabe zum Lesen)
    DSCN3960