Archiv für den Monat Oktober 2014

Achterbahn der Gefühle

Ich hasse Achterbahn fahren! Und das meine ich ernst! In jeder Beziehung!

Die Achterbahn auf der Kirmes war mir bereits von Kindesbeinen an ein Graus! Wenn andere schreiend und lachend einen riesigen Spaß empfanden, überkam mich die reine Panik. Das ist bis heute so geblieben.
Geriet ich aus Versehen einmal in eine Achterbahn, die ich als solches nicht direkt auf Anhieb erkannte (im Phantasialand), musste ich ständig die Luft anhalten, um die steile Abfahrt auszuhalten. Diese kurze Schwerelosigkeit war für mich die reinste Qual. Es mobilisierte alle Ängste in mir, die ich abrufen konnte. Mein Kopf platzte förmlich vor Adrenalin. Ich empfinde Adrenalin als sehr unangenehm im Gegensatz zu manchen anderen. Wenn ich zu viel davon ausschütte, verdirbt es mir den ganzen Tag. Ich komme stundenlang nicht mehr zur Ruhe.

Genauso ergeht es mir, wenn meine Gefühle Achterbahn fahren. Es existiert bei mir keine gerade Strecke, bei mir gibt es im Leben nur Kurven oder steile Wege bergauf und bergab. Das macht mich oft unausgeglichen und nervös. Es gibt bei mir kaum ein „bisschen“ Gefühl, also ein gut erträgliches Gefühl. Entweder langweile ich mich sehr schnell oder ich reagiere hektisch und nahezu euphorisch. Das fühlt sich an, als würde der Zucker von einer Überzuckerung in die Unterzuckerung fallen. Es gibt kein ausgeglichenes Gefühl in meinem Leben. Es entsteht keine innere Ruhe oder Balance.

Bereits die kleinsten Erlebnisse können das verursachen. Zum Beispiel, wenn ich im Vorgarten arbeite. Ich lege mir einen Zeitplan im Kopf zurecht und verlassen nie „zeitlos“ das Haus, sondern plane die Gartenarbeit in einen festen Tagesablauf ein. Meist plane ich eine Stunde, weil mein Zucker sehr stark darauf reagiert und sinkt. Kommt allerdings gerade ein Nachbar vorbei und möchte etwas plaudern, werde ich nervös, auch, weil ich meine Insulindosis auf diese eine Stunden Gartenarbeit ausgerichtet habe. Ich lege aus Höflichkeit natürlich die Arbeit nieder und widme mich dem Nachbarn. Smalltalk fällt mir sehr schwer, weil ich nicht weiß, was den anderen interessiert. Da man mich selten draußen in der Siedlung findet, redet man auch gerne und lange mit mir. Ich erfahre von Reisen, Krankheiten und Begebenheiten in der Siedlung. Mittlerweile kann ich den zeitlichen Rahmen der Berichterstattung schon je nach Person abschätzen. Dennoch finde ich es sehr nett, von meinen Nachbarn angesprochen und gemocht zu werden. Ich mag sie auch sehr. Aber sie können natürlich nicht erkennen, wie meine innerliche Reaktion darauf ist, die ich nicht steuern kann. Es macht mir großen Stress, besonders, wenn das Gespräch länger als eine halbe Stunde dauert und ich bereits mit der nachfolgenden Tätigkeit beschäftigt bin. Ich schaffe es nicht, mir einfach weniger vorzunehmen, weil ich Langeweile oder Leerzeiten kaum aushalten kann. Ich bin ein Workaholic. Ich bin nicht in der Lage, mich ungeplant eine Stunde entspannt in den Garten zu setzen und „Zeit zu vergeuden“. Nicht in meinem Alltag. Ich habe ständig das Gefühl, viel schaffen zu müssen, um gut genug für diese Welt zu sein. Faulheit wird in der Gesellschaft verurteilt. Die Frage ist, wo fängt Faulheit an und wo endet sie? Da ich es nicht weiß, fülle ich meinen ganzen Tag mit Erledigungen.

Es gibt eine bestimmte Zeit, zu der meine innere Achterbahnfahrt zur Ruhe kommt. Das ist meine Schreibzeit in England. Zu dieser Zeit fühle ich mich stressfrei und entspannt. Weit weg von allen Menschen, Terminen und Erwartungen. Während dieser Zeit bin ich in der Lage „in den Tag hinein zu leben“ und spontan etwas zu unternehmen oder auszuruhen, was ich zu Hause nie schaffe. Ich kann mir in dieser Zeit etwas gönnen und genehmigen, aber zu Hause finde ich den „Genehmigungsschalter“ nicht!

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Die Gier der Menschen

Der Begriff „Gier“ sieht für mich wie ein hässliches schwarzes Muster voller giftiger Stachel und messerscharfer Kanten aus. Ich weiß, was es bedeutet, und deswegen verabscheue ich es.

Gier hat mit Verblendung, Betrug, Gemeinheit und Rücksichtslosigkeit zu tun. Verhaltensweisen, die ich nicht beherrsche, und darüber bin ich sehr dankbar. Umso mehr schrecke ich vor ihnen zurück.
Ich bin glücklich, nicht das Verlangen zu verspüren, andere Menschen übers Ohr hauen zu müssen. Meiner Meinung nach vergiftet es den Menschen von innen. Es fühlt sich gemein, niederträchtig und schmerzhaft für den an, der der Gier zum Opfer fällt.

Wo findet man heute noch Unternehmen, die nicht durch Gier motiviert sind? Ein alter Spruch besagt: „Wenn du ehrlich bist, wirst du niemals reich.“

Will ich reich werden? Wozu? Was ist Reichtum überhaupt?

Es reicht aus, wenn ich mit ehrlicher Arbeit so viel verdiene, dass ich mein Essen, meine Kleidung, meine Miete und einige lebenswichtige Dinge wie Versicherung, Auto und Telefon bezahlen kann, um in der Gesellschaft teilhaben zu können. Alles, was darüber hinausgeht, interessiert mich nicht, denn es befriedigt nicht meine Grundbedürfnisse. Deren Befriedigung reicht mir. Grundbedürfnisse können durch mehr Geld höchstens qualitativ höherwertig gestillt werden, aber quantitativ? Kein Bedarf.
Ich bin froh, so wenig wie möglich zu besitzen, damit für mein Gehirn meine Besitztümer überschaubar und sortierbar bleiben. Wenn mein Stresspegel im Alltag steigt, muss ich überlegen, ob ich nicht erst einmal wieder eine Aufräumaktion von Gütern und Tätigkeiten vornehme. Einmal im Jahr sortiere ich meinen Haushalt durch. Danach weiß ich genau, was ich besitze und nicht mehr benötige. Der Spruch: „Aber das kann man doch irgendwann noch gebrauchen“, zählt bei mir nicht. Wenn ich es in den letzten – höchstens – zwei Jahren nicht benutzt habe, dann werde ich es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht mehr benutzen. Es kommt hinzu, dass ich mich bei Bedarf sowieso nicht mehr daran erinnern kann, wo es liegt. Also gebe ich es an Bedürftige ab oder entsorge es.

Die Gier fängt bereits bei ganz kleinen Dingen zu Hause an. Wenn sie einen erst einmal gepackt hat, weitet sie sich rasend schnell aus.

Wo finde ich überall Gier?

Zunächst natürlich in großen Konzernen, die einen hohen Gewinn einfahren und den Mitarbeitern nichts abgeben, obwohl es im Grunde deren Verdienst ist. Ich ärgere mich darüber ständig, weil ich Ungerechtigkeit zutiefst verabscheue. Eine jährliche Provision wäre fair, sozial und ehrlich, doch die gibt es nur in den wenigsten Unternehmen.
Ich finde Gier in Spielcasinos. An keinem Ort ist es offensichtlicher als an diesem Ort. Dort treffen Gierige auf Gierige. Und jeder versucht dem anderen sein Geld abzuluchsen. Wie krank!

Die Gier ist auf dem Immobilienmarkt derart zu Hause, wie nirgendwo. Überhöhte Miet- und Immobilienpreise. Dahinter steckt kein fairer Gedanke, sondern nur die pure Gier nach schnellem Geld!

Und erst die Anbieter von Energie!
Mit welcher Form der Gier sie infiziert sind, ist undefinierbar für mich. Die Krankenkassen, die Milliardengewinne auf Kosten der Patienten einfahren, weil Leistungen und Medikamente aus dem Erstattungsplan ausgenommen wurden. Die ehrlichen und fairen Menschen sind ihnen vollkommen ausgeliefert. Sie leiden, erkranken und isolieren sich immer mehr. Wer Kraft hat, beginnt mit Prozessen und viel Schreibarbeit dagegen anzukämpfen. Aber diese Kraft hat nicht jeder.
Die Gewinne dieser Unternehmen werden oft unter einigen wenigen wohlhabenden Managern aufgeteilt. Wie gerecht!

Die Gier lässt sich in jedem Geschäft finden, das versucht, Kinder an der Kasse durch „griffbereite“ Süßigkeiten zum Zugreifen zu veranlassen. Kinder auf diese Art und Weise zu manipulieren finde ich unmöglich! Man sollte solche Manipulationen verbieten, denn Kinder lernen dadurch Taktiken und Methoden kennen, die sie besser nicht kennenlernen sollten. Vielleicht sind es die, die später genau diese Geschäftsleute über den Tisch ziehen…! Dann kann es nur recht sein.
Aber diese Kinder richten später vielleicht einen noch größeren Schaden an.

Wie viele unsinnige Dinge finden wir in und vor den Geschäften in kleinen Angebotskörben stehen, die schnell einen weiteren Umsatz einfahren sollen? Der Blick auf das Wesentliche wird verblendet.
Ein Sonnenstudio ist für mich vollkommender Blödsinn! Wir haben wunderschöne Sonnentage über das Jahr, aber haben die Menschen Zeit, sich in den Garten oder Park zu setzen? Das wäre kostenlos und viel gesünder! Nein, es wird stattdessen in ein Sonnenstudio gelaufen … Der Besitzer des Studios freut sich, an dieser Unsinnigkeit Geld zu verdienen.

Ich komme in dieser Welt immer schlechter zurecht, weil ich auf Gier und Betrug nicht programmiert bin. Es stresst mich unendlich, mein Haus zu verlassen und Erledigungen hinter mich zu bringen, wenn ich sehe, wo überall Gier und Betrug lauern.

Ich komme in großen Einkaufszentren nicht zurecht, weil mich die Atmosphäre der Gier dort wie eine Welle üblen Gestanks überrollt. Ich meide sie, gehe liebe in kleine und überschaubare Geschäfte, wo man sich persönlich kennt.
In den Augen vieler Menschen steht „haben, haben haben wollen“ geschrieben. Und dann haben sie es und fühlen sich trotzdem nicht besser. Wo bleibt der Sinn? Sind es die kleinen Glücksmomente, die gesucht werden, der schnelle Kauf und das Ausschütten der Glückshormone Dopamin und Serotonin? Und was geschieht danach mit der gekauften Ware? Die Gier nach guten Gefühlen ist kurzzeitig befriedigt worden und gleichzeitig die Gier verschiedener Händler. Die Müllberge wachsen sinnlos an. Das alles nur für ein Gefühl, das die Natur im Überfluss dem Menschen bietet. Wie blind sind die Menschen geworden?

Ich kann dies alles nicht nachvollziehen, finde Glück in ganz anderen, kleinen Dingen, die mit Geld nichts zu tun haben. Die wunderschön blühende Blume am Straßenrand, die heiße Tasse Tee mit Blick in den Garten, das Buch am Abend, das Knistern des Feuerholzes, eine Spende an die Bedürftigen oder selbstgebackene Plätzchen zu Weihnachten. Es gibt viele schöne Dinge, mit denen man sich Glücksgefühle verschaffen kann. Wann hat man der Kassiererin das letzte Mal gesagt, dass sie sehr freundlich sei oder eine schöne Frisur habe? Es gibt unzählige Momente, Komplimente auszusprechen und Glück zu schenken. Warum machen es so wenige?

Ich bekomme meine Freunde nicht mehr sortiert, weil viele eine verborgene Gier in sich tragen, die mich enttäuscht. Ich habe Angst, große Geschäfte aufzusuchen, um nicht ständig ungewollt verführt zu werden, und ich bin ständig gefordert, als nicht gieriger Mensch meinen Arbeitsplatz zu finden, an dem ich mich wohlfühle. Muss Arbeit unbedingt mit Betrug am Arbeiter verbunden werden? Wo sind die fairen und ehrlichen Arbeitgeber geblieben? Ich möchte meine Arbeit angemessen und fair bezahlt wissen.
Betrug und Gier sind zwei schlechte Gesellen, denn auf kurz oder lang rächt es sich auf irgendeine Art und Weise.

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Fernweh – die ewige Flucht

Bereits im Alter von zehn Jahren hatte ich das Gefühl aus flüchten zu müssen. Das nennt man Fernweh. Mein Traumland waren die USA. Ich sammelte und las alles, was ich über das Land fand. Schaute jede amerikanische Serie, die derzeit lief, um die Menschen zu studieren und lernte die Sprache durch die Lieder von John Denver kennen.

Das Land faszinierte mich so sehr, dass ich eine Fototapete der Golden Gate Bridge und später der Skyline von New York in meinen Zimmern hatte, meine Wände mit Collagen dekorierte und überall, wo es möglich war, die amerikanische Flagge hinklebte. Ich studierte Schauspieler, die Szene Hollywoods und kaufte prächtige Bildbände der Nationalparks in den USA. Amerika war mein Spezialinteresse in meiner Kindheit und Jugend. Ich glorifizierte alles und hatte das Gefühl, dort zu Hause zu sein, also unbedingt hin zu müssen. Nur weg von Deutschland! Ich redete mir ein, dass meine Seele dort einmal gelebt haben müsste und begann Geschichten über das Land zu erfinden. Erst waren es lustige Geschichten, dann wurden es Krimis, später sogar Horrorgeschichten. Je doller, je mehr Spaß machte es. Ich las überwiegend Literatur amerikanischer Schriftsteller wie Jack London, Mark Twain und A.E.Johann. Später entwickelte ich eine zusätzliche Leidenschaft für englische Schriftsteller wie Charles Dickens und Oscar Wilde. Ein deutscher Krimi war für mich kein Krimi. Es musste ein amerikanischer sein. So ist es noch heute.

Mit Amerika verbinde ich ein besonderes Gefühl der Freiheit, des „Allesschaffens“ und „Allesdürfens“. Das hat vielleicht mit meinem Autismus zu tun, denn ich lese häufiger, dass sich Asperger nach fremden Ländern sehnen, weil sie dort unauffällig leben können und nicht wegen ihrer Wahrnehmung auffallen. Sie können peinliche Begebenheiten besser entschuldigen, indem sie die Sprache oder Kultur dafür verantwortlich machen. Zudem stehen viele fremde Länder den Aspergern aufgeschlossener gegenüber. Dazu gehören unbedingt die USA, Kanada und England. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sich in diesen Ländern viele Autisten aufhalten, weil sie so multikulturell und „verrückt“ sind.

Den ersten Schritt in ein fremdes Land tat ich mit 16 Jahren, als die Schul-Abschlussfahrt nach London ging. Es war die erste Konfrontation mit englisch sprechenden Menschen. Ich werde diese Fahrt nie vergessen, denn sie offenbarte mir, wie gerne ich Englisch sprach. Ich konnte von den Menschen und der historischen Stadt nicht genug bekommen und trennte mich regelmäßig von der Klassengemeinschaft, weil niemand meine Begeisterung in dem Maße teilte, wie ich sie empfand. Zudem war ich immer gerne alleine unterwegs, um mich nach niemanden richten zu müssen.
Nach dieser Reise stand für mich fest, dass ich den Sprung in die USA schaffen würde!

Wer sich in England verständigen kann, kann dies auch in den USA. Diese Erkenntnis schürte mein Fernweh unermesslich, dass ich wahre Seelenqualen in Deutschland erlitt.
Drei Jahre später war es soweit. Ich hatte mir eine Aupair Stelle in Costa Mesa/Kalifornien besorgt und reiste auf dem Weg dorthin zuvor drei Wochen nach Aspen/Colorado. Dort fand ich eine Welt, in der ich später leben wollte. Ich wanderte durch die gesamte Umgebung und fand zu einer Art inneren Frieden, wie ich ihn nie zuvor gespürt hatte. Ich saß stundenlang am Maroon Lake, wanderte, schrieb und las Bücher. So viel Natur, so viel Ruhe! Ich war angekommen und nahm mir vor, nach meinem Aupair-Jahr und der Beendigung meine Ausbildung nach Aspen zu reisen, um dort zu leben. Doch es kam alles anders.
Meine Mutter erkrankte schwer an Depressionen und hatte bereits einen Suizidversuch hinter sich, während ich noch bei ihr lebte. Unmittelbar nach meiner Abreise in die USA unternahm sie einen zweiten Suizidversuch und wurde erst in einer geschlossenen, später in einer offenen psychosomatischen Klinik untergebracht. Das machte mir so sehr zu schaffen, dass ich alles nach nur sechs Wochen abbrach und nach Deutschland zurückkehrte. Drei Monate später verstarb sie nach ihrem dritten Suizidversuch in der Klinik.

Ich nahm mir vor, direkt nach der Beendigung meine Ausbildung wieder in die USA zu reisen. Es kam nicht dazu, weil ich meinen zukünftigen Mann kennenlernte und beschloss, erst einmal in Deutschland zu bleiben. Aber wir feilten bald an einer gemeinsamen Auswanderung und bereisten die USA einige Male mit unseren Kindern.

Immer wieder verspüre ich das Bedürfnis, Deutschland zu verlassen . 2007 wanderten wir mit der gesamten Familie nach Kanada aus, mit dem Ziel, dort fünf Jahre legal zu arbeiten und zu leben, um dann legal in die USA einreisen zu können. Leider mussten wir uns auch von diesem Ziel verabschieden, weil ich durch die immense Veränderung und das Leben in der Großstadt Calgary psychische Zusammenbrüche erlitt. Die Größe der Stadt und die vielen fremden Menschen und Begebenheiten machten mir plötzlich immens Angst. Wir brachen unsere Zelte nach nur fünf Monaten ab, weil ich dermaßen viele Overloads erlitt und so schwer erkrankte, dass sich Knoten an der Schilddrüse bildeten.

Mein Fernweh ist geblieben. Noch heute verspüre ich den Drang, hier weg zu müssen und habe mir seit einem Jahr ein neues Ziel nach England aufgebaut. Dort habe ich einen Ort gefunden, der mir keine Angst macht. Er ist überschaubar, mit allen Geschenken der Natur gesegnet (Küste, Wälder, Felder) und hat eine Art der Langsamkeit, mit der ich gut zurecht komme. Es ist das Kleine und Gemütliche, das ich suche. Etwas, das nicht ständig meine Aufmerksamkeit fordert und überfordert. Je weniger ich um mich habe, desto besser geht es mir.

Ich werde wohl immer an Fernweh leiden und lese immer wieder, dass es anderen Aspergern genauso geht. Ist es die Flucht vor dem Leben, das wir hier in Deutschland nicht mehr bewältigen können? Fühlen wir uns nicht angenommen? Viele Schriftsteller, unter anderem Hermann Hesse, berichten ebenfalls von ihrer Sehnsucht nach andere Länder. Im Internet wird Hesse als Autist beschrieben. Er kommt meinem Denken und Fühlen sehr nahe.

Ich sehe bei mir die Lösung darin, mir ein zweites Zuhause in England aufzubauen, damit ich immer flüchten kann, sobald mir danach ist. Derzeit lebe ich schon ein Viertel des Jahres dort und schreibe dort sehr glücklich meine Bücher. Ich spüre, dass der Weg stimmt!

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Meine Liebe zu Tieren

Ich weiß, dass viele Asperger mit Tieren zusammenleben, weil es die einzigen Geschöpfe sind, denen sie vertrauen und von denen sie sich angenommen fühlen. Ich weiß ebenso, dass fast alle sehr gut mit diesen Tieren umgehen und sie pflegen.

Tiere gehören auch für mich zu den wunderbarsten Geschöpfen auf Erden. Sie sind ehrlich, treu und verhalten sich immer gleich. Man findet in ihnen aufrichtige und treue Lebensbegleiter.

Ich hatte als Kind einen Wellensittich, den ich so sehr liebte, dass ich mich in jeder freien Minute mit ihm beschäftigte. Er wurde sehr schnell zutraulich und lernte mit kleinen Gegenständen auf dem Tisch (Glöckchen, Strohhalmen, … ) kleine Kunststücke zu vollbringen, die die ganze Familie begeisterten. Es war eine Sie, und ich nannte sie Bibi. Bibi lebte nicht nur im Käfig, obwohl sie einen besaß, aber sobald ich mein Zimmer nach der Schule betrat, hob ich den Plastikdeckel von ihrem runden Käfig ab und ließ sie frei im Zimmer fliegen. Natürlich musste ich öfters etwas sauber machen, aber das war es mir wert. Bibi war vollkommen in mein Leben integriert. Sie saß auf dem Schreibtisch und lief meinem Füller hinterher, während er Wörter aufs Papier schrieb. Aber sie knabberte auch mit großer Freude meine beschriebenen Blätter an, sodass ich auf meine Schulbücher und Hefte gut Acht geben musste. Sie saß auf dem oberen Rand meiner Bücher, wenn ich las, oder lief auf meinen Beinen umher, wenn ich im Schneidesitz auf dem Boden saß und Musik hörte. Sie war ein liebenswerter Geselle und ich schenkte ihr mein ganzes Herz! Wenn sie krank wurde, litt ich mit ihr, setzte sie auf meine Schulter unter mein langes Haar und wärmte sie dort. Wenn ich in der Küche spülte, saß sie auf meinem Kopf und sah mir zu. Sie saß ständig irgendwo auf meinem Körper oder der Hand, wenn ich durchs Haus ging. Wenn jemand die Tür öffnete, schrie ich schon von weitem „Tür ZU!! Bibi ist frei!“. Und doch passierte es trotz großer Vorsicht einmal, dass sie durch die Haustür davonflog. Es war eine Katastrophe für mich und ich lief ihr draußen schreiend hinterher. Sie setzte sich in den nächsten Baum und sah auf mich herab. Ich hatte Tränen der Angst in den Augen, denn sie war in meiner früheren Jugend mein einziger Freund. Ich sah zu ihr hinauf und hielt ihr die Hand entgegen, und sie kam tatsächlich zu mir und ließ sich problemlos ins Haus zurückbringen.

Dann passierte dieser Zwischenfall, dass sie eines Tages durch mein offenes Zimmerfenster verschwand. Ich stellte den offenen Käfig an das Fenster, um sie wieder anzulocken. Es dauerte keine fünf Minuten und sie kam zurück und saß auf ihrem Käfig, trällerte mich fröhlich an, als würde sie mir von ihrer kurzen Reise in die Freiheit erzählen.

Ich wusste natürlich, dass gezüchtete Wellensittiche den Winter über ohne Hilfe in Freiheit nicht überleben können, und doch machte ich eines Tages ein Vertrauens-Experiment. Ich ging mit ihr ans offene Fenster und ließ sie frei. Ich stellte den Käfig nicht an das Fenster und wartete ab, was sie tun würde. Mein Vertrauen in diesen Vogel war immens! Es dauerte nur eine kurze Weile und sie kam wieder zurück in mein Zimmer geflogen. Von diesem Tag an ließ ich an warmen Tagen mein Fenster immer offen, und Bibi die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wo sie sich aufhalten möchte. Sie kam immer wieder zurück.

Ich liebe Vögel – alle – und beobachte sie heute noch mit großer Freude. Sie sitzen oft an meinem Fenster, wenn ich schreibe, als würden sie mir zuschauen. In England saßen einmal zwölf Spatzen in einer Reihe auf dem Fensterbrett direkt vor meinem Schreibplatz. Ich wollte sie fotografieren, aber meine Bewegung hin zum Fotoapparat verscheuchte sie.
In Colorado beobachtete ich mit großer Freude Adler. Ich mag aber genauso den anmutigen Anblick von Schwänen oder die lustigen Hühner, wenn sie frei auf dem Hof herumstolzieren. Ich liebe es, wenn die Wildgänse in Formation im Frühjahr und Herbst über mich hinweg fliegen.

Als Jugendliche pflegte ich einen Raben, dessen Flügel angeschossen worden war. Er lernte sprechen. Jeden Morgen, wenn ich ihm Futter brachte, sagte ich „Leo, komm“. Es dauerte ein paar Wochen, da hörte ich ihn heimlich diese Worte krächzen.
Ich wuchs mit Hühnern, Hunden, Katzen, Vögeln und Mäusen auf dem Lande auf und hatte eine glückliche Kindheit dort. Meine Probleme begannen erst in der Schule, als ich auf viele fremde Menschen traf.

Ich habe mich immer wieder gefragt, warum ich besonders Vögel mag. Ich finde es einfach schön, dass sie immer dort hinfliegen können, wo sie wollen. Sie sehen die Welt von oben, haben ausreichend Platz sich zu bewegen und können sich immer dort niederlassen, wo ihre Bedürfnisse sie hinführen. Sie können genauso schnell wieder wegfliegen, wenn sie irgendetwas nicht mehr mögen oder sich erschrecken. Sie machen sich im Flug unerreichbar für den Menschen.

Ich liebe alle Tiere, habe aber seit meiner Kindheit keines mehr besessen. Eben, weil ich sie liebe. Ich liebe es, wenn ich sie in ihren natürlichen Lebensräumen sehe. Dann weiß ich, dass sie glücklich sind. Ich bin viel unterwegs und wohne derzeit in einer Reihenhaus-Siedlung, die ich nicht für Tierhaltung für geeignet halte. Aber ich werde jeden Tag von vielen Tieren in meinem Garten besucht: Eichhörnchen, Vögel vieler Arten, Igel, Schnecken und Kröten. Ich fand vor einigen Wochen eine Schildkröte mitten auf der Straße und versorgte sie bestmöglich, bis ich einen guten Halter für sie fand. Ich versorge alle Tiere, die zur Winterzeit einen Unterschlupf oder Nahrung benötigen, und stelle im Sommer immer frisches Wasser für sie in den Garten. Jeden Morgen bekomme ich dafür ein kostenfreies Konzert vor meinem Fenster! Ich liebe Vogelgesang. Er beruhigt mich zutiefst.

Leider gibt es immer wieder Menschen, die Besitz an Tieren mit Macht verbinden und dann sehe ich mit Schrecken, wie sie mit ihren Tieren umgehen. Es tut mir sehr weh, wenn Tiere unter schlechten Bedingungen leben müssen, unschuldig angeschrien, getreten oder anderweitig schlecht behandelt werden. Es verursacht mir große Schmerzen. Den gleichen Schmerz kann ich in den Augen der Tiere sehen. Dann werde ich sehr wütend. Doch was soll ich dagegen tun? Es wird immer Menschen geben, die die Würde eines Tieres nicht achten. Aber es sind auch oft Menschen, die gar keine Würde zu schätzen wissen, weder die anderer Menschen, noch der Natur. Ich muss diese Menschen eben aushalten.

Wenn sich meine Wohnsituation eines Tages ändern sollte, so wird es ein kleines Haus mitten in der Natur sein, umgeben von Bäumen, Pflanzen und Tieren. Dann könnte es sein, dass mich eines Tages ein Hund findet, denn diese Tiere suchen sich ihre „Herrchen“ oft aus. Sie haben einen Instinkt dafür, zu wem sie passen. Dann werden es gute Beziehungen. Das würde mir gefallen!

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Schaukeln

Ich schaukele nicht sitzend vor mich hin und beruhige mich damit. Obwohl … doch, irgendwie stimmt es schon. Aber es ist kein apathisches Wippen auf dem Sofa oder in irgendeiner Ecke. Nein, ich schaukele in der Regel schon von klein an. Überall, wo ich eine Schaukel fand, musste ich drauf. Nicht mal eben, nein, stundenlang. Es gab für mich keinen interessanten Sandkasten, kein Karussell oder eine Wippe auf dem Spielplatz – nur eine Schaukel.

Meine Eltern hingen schon sehr früh eine Schaukel mit Turnstange bei uns im Garten auf, wo ich mich stundenlang aufhalten konnte, ob bei Regen, Wind oder Sturm. Schaukeln war für mich immer wie Fliegen, so wie ich immer die Vögel am Himmel sah und beneidete. Nur weg, hoch in die Luft und keinen Menschen mehr um sich haben. Dieses Gefühl spürte ich beim Schaukeln. War ich damit beschäftigt, konnte mich niemand erreichen.

Als ich größer wurde, schenkte mein Vater mir einen Schaukelstuhl, den ich drei Jahrzehnte lang behielt. Ich saß ständig darin und las oder hörte Musik.
Als ich mit meiner eigenen kleinen Familie in das erste Haus mit Garten zog, baute mein Mann eine Hollywoodschaukel aus Holz, damit ich auch draußen wieder schaukeln konnte. Darin saß ich, sooft ich konnte, und las oder sah mir einfach nur den Himmel an, während mein Körper dieses beruhigende Gefühl spürte.

Auch heute habe ich wieder eine Hollywoodschaukel in meinem Garten und verbringe dort jede freie Minute, die ich finde. Derzeit suche ich wieder einen schönen bequemen Schaukelstuhl für mein kleines Arbeitszimmer am Fenster.

Es liegt auf der Hand, dass mich diese Art der Bewegung ungemein beruhigt. Es kommt fast dem Lesen und Musikhören gleich. Am besten funktioniert es, wenn ich draußen schaukele und frische Luft einatme.

Es ist allgemein bekannt, dass sich Babys durch Schaukeln beruhigen, was auf die natürliche Bewegung während der Zeit im Mutterleib zurückgeführt wird. Deswegen kaufte ich eine Babywiege und ein Tragetuch für meine Kinder. Meinen ersten Sohn trug ich fast nur im Tragetuch, weil er im Kinderwagen ständig weinte. Sobald er an mich gebunden war, geschaukelt wurde und Wärme spürte, hörte ich keinen Ton von ihm. Viele Mitmenschen beäugten uns misstrauisch und prognostizierten mir, ich würde das Kind zu sehr verwöhnen, aber ich sah das anders und ließ mich nicht beirren. Ich trug mein Kind auch in der Wohnung und bei der Gartenarbeit in diesem Tuch und habe nie das Gefühl verspürt es zu verhätscheln. Wir beide pflegen bis heute ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Den zweiten Sohn schaukelte ich in der Wiege. Dort war sein eigener Himmel! Er war ein sehr lebhaftes Baby, aber sobald er in der Wiege lag, kam er zur Ruhe, so dass auch sein älterer Bruder ihn dort öfters schaukeln konnte. Auch zu ihm habe ich bis heute ein gleich gutes Verhältnis.

Was ist es, das das Schaukeln so angenehm für uns macht? Wir drei sind sogenannte repetitive (sich wiederholende) Stereotypen und lieben bestimmte Bewegungen und Abläufe im sich immer wiederholenden Rhythmus. Das zeigt sich manchmal durch minimale Bewegungsabläufe, z.B. Fingerdrehen oder die Haare zwirbeln. Ich fasse beim Denken z. B. immer wieder an eine bestimmte Stelle am Kopf oder fahre mir durch die Haare, um meinen Denkprozess fortzuführen. Ich höre immer die gleiche Musik und trinke immer zur gleichen Zeit Kaffee oder Tee, sofern es möglich ist. Ich mache immer zur gleichen Zeit meinen Abendspaziergang oder gehe einkaufen. Es fällt vielen nicht auf, aber wer genau hinschaut, wird immer wieder die gleichen Abläufe bei mir finden. Wenn ich morgens später aufstehe, weil ich nachts nicht schlafen konnte, kommt mein Ablauf durcheinander, und ich habe große Mühe, meine Erledigungen, die ich mir vorgenommen habe, zu schaffen. Ich dusche später, nehme den Kaffee später zu mir und bin völlig aus dem Rhythmus.

Wer das Gefühl nicht kennt, kann sich nicht vorstellen, wie viel Stress es tagsüber in mir auslöst. Manchmal poste ich in Facebook eine lustige erschöpfte Tierfigur. Das ist ein Zeichen, dass mein Tag wieder einmal aus den Fugen geraten ist. Es fühlt sich an, als wenn ich schaukele und immer wieder angehalten werde. Das nervt, macht mich aggressiv und erschöpft mich.

Wenn der Stress ganz schlimm wird, weil ich z.B. einen Termin auf den nächsten Tag verlegen muss, setze ich mich in meine Hollywoodschaukel und warte, bis ich eine gewisse Ruhe wieder gefunden habe. Erst dann kann ich den Rest des Tages bewältigen.

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Freundschaften

Das Wort Freundschaft ist ein sehr schönes Wort … und sooo wertvoll. Doch es hat bei mir nicht immer die gleiche Bedeutung.

Bei mir haben sich im Laufe des Lebens drei Kategorien von Freundschaften gebildet:

  1. Kategorie: Bekannte, die ich oberflächlich kenne.
    2. Kategorie: Freunde, mit denen ich verschiedene Interessen teile.
    3. Kategorie: Freunde fürs Leben, mit denen ich meine Interessen und privaten Probleme teile.Bei Menschen, die ich in Kategorie 3 aufnehme, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie mein volles Vertrauen verdient haben und mich ein Leben lang begleiten werden. Sie tragen mich durch Höhen und Tiefen des Lebens und verlieren nicht den Glauben an mich bei allem, was ich tue. Umgekehrt ist es genauso. Das trifft allerdings nur auf sehr wenige Menschen zu.Freundschaft bedeutet für mich totale Ehrlichkeit, aber keine Unfreundlichkeit. Ich finde, man kann auch unangenehme Mitteilungen überbringen, wenn man es behutsam tut. Wer sich mir gegenüber frech, gemein, unaufrichtig, aufdringlich oder respektlos verhält, verliert sofort meine Freundschaft. Ebenso derjenige, der meine ethischen und moralischen Grenzen überschreitet. Ich kann auf ein solches Verhalten keine Reaktion in mir abrufen. Es ist einfach nicht möglich. Kein Programm vorhanden.
    Ich kann auch sehr unangenehm reagieren, wenn mich jemand zu Unrecht angreift. Damit meine ich wirklich unangenehm – cholerisch oder gefühlskalt. Es kann auch passieren, dass ich mich von dieser Person wortlos abwende und sie sofort aus meinem Gedächtnis streiche. Dann existiert keine emotionale Bindung mehr und ich verschwende keinen Gedanken mehr an diese Person. Sie bekommt auch nie wieder die Chance, von mir beachtet zu werden. Die Verfehlungen sind dann so stark gewesen, dass ich jedes Vertrauen unwiderruflich verloren habe.

    Freundschaft zu pflegen ist für mich nicht immer einfach, weil ich hin und wieder vergesse, mich bei jemandem zu melden, obwohl er mir viel bedeutet. Dann habe ich ein schlechtes Gewissen und entschuldige mich vielfach. Immer wieder. Es ist aber auch schwer für mich, wenn ein Freund oder eine Freundin sich viel öfters melde, als ich antworten kann. Oftmals weiß ich nicht, was ich alles zurückschreiben soll, weil ich nicht gerne über mich schreibe oder rede. Ich weiß auch nicht, was den anderen interessiert. Deswegen gehe ich oft auf die Themen des anderen ein, um sicher zu sein, dass ich ihm genug Aufmerksamkeit geschenkt habe.

Es ist schwer für mich, wenn sich Freundschaften in einem Ungleichgewicht befinden. Es ist wie mit der Liebe: Es gibt immer einen, der mehr liebt als der andere. Menschen empfinden die Verbindung unterschiedlich stark. In diesen Momenten wird es für mich oft schwer herauszufinden, was der andere von mir erwartet. Schenke ich zu viel Aufmerksamkeit oder zu wenig? Ein ewiges Problem bei mir. Ich finde oft keine Balance.

Freundschaft hat bei mir nichts mit Erwartung zu tun, das heißt, wenn ich schreibe, erwarte ich nie, dass der andere direkt zurück schreibt. Ich erwarte auch nie ein Gegengeschenk, wenn ich etwas verschenke. Ich schenke immer von Herzen, nicht aus Berechnung. Die Freude des anderen ist gleichzeitig meine eigene Freude. Aber ich weiß oft nicht, was der andere denkt, wenn er mir etwas schenkt. Erwartet er ein Gegengeschenk? Um sicher zu sein, mache ich es oft.

Ich brauche gute Freunde mehr als meine Familie. Damit meine ich nicht meine engste Familie, also meinen Mann und meine zwei Jungen. Diese stehen mir am Nächsten. Ich meine den Rest. Es ist mir oft aufgefallen, dass sich Freunde viel intensiver und aufrichtiger für mich und mein Wohlergehen interessieren als die entfernte Familie.

Familie empfinde ich als eine Form der Hilfsorganisation. Dort hilft man sich physisch aus, das heißt, bei pragmatischen, organisatorischen Problemen wie Einkaufen, Umzügen, Feierorganisationen und Haushaltshilfen. Es geht selten um das psychische Wohlergehen. Ich weiß, dass man das nicht gerne hört, aber es entspricht meiner subjektiven Wahrnehmung, ohne dass ich es verschleiern oder schönreden will. Bisher hat sich kaum einer wirklich für meine Interessen oder meine Wünsche interessiert. Deswegen rede ich in Gegenwart vieler Verwandter auch nicht darüber. Das ist bei Freunden oft anders. Da ich sie „passend“ zu meiner Persönlichkeit aussuchen kann, interessieren sie sich mehr für meine Interessen und damit auch für mein psychisches Wohl. Sicher, wenn ich körperlich krank bin, ist natürlich immer die ganze Familie da, aber wenn ich in eine psychische Schieflage komme, weiß oft niemand, warum es so ist und wie man mir am besten helfen kann. Aber meine Freunde wissen es, weil sie mich viel intensiver kennen und begleiten. Dafür empfinde ich große Dankbarkeit und zeige es auch.

Neben meinem Mann und meinen Kindern sind mir meine engen Freunde das Wichtigste im Leben. Sie helfen mir, immer wieder aufzustehen, wenn ich umfalle. Im Gegenzug erhalten sie grenzenloses Vertrauen und Gegenhilfe von mir. Das hört sich sehr normal an und darüber bin ich froh!

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