Verbindung verloren

Ich bin mal wieder an einem Punkt angelangt, an dem ich kaum Verbindung zu meinen NT-Mitmenschen draußen aufbauen kann. Diese Verbindung sieht bildlich wie eine Brücke aus. Bestimmte Komponenten müssen stimmen, damit ich die Verbindung aufrechterhalten kann. Die Brücke muss stabil (mit Vertrauen) gebaut und am anderen Ende, also dem Empfänger, solide verankert sein. Manchmal gelingt mir das, aber meistens ist es nur von kurzer Dauer.

Was ist es, das meine Brücke immer wieder zusammenbrechen lässt? Warum verliere ich ständig die Verbindung, die eben noch so gut funktioniert hat? Ist es meine Übersensibilität?

Ich kann nicht leugnen, dass mich bestimmte Aussagen verletzen oder schlichtweg nerven, aber ich bin inzwischen in der Lage, einiges abprallen zu lassen. Häufen sich jedoch Aussagen, beginnt meine Brücke zu bröckeln. Doch was passiert, wenn meine ganze Verankerung auseinanderbricht? Dann fühle ich mich allein gelassen – verlassen. Die Verankerung fühlt sich gut für mich an, doch wenn sie weg ist, entsteht tiefe Einsamkeit in mir. Wie sieht diese Einsamkeit aus?

Bildlich gesehen krümmt sich meine Seele wie ein Embryo zusammen und zerdrückt mein Herz. Es fühlt sich wie eine Erstarrung an. Ich verspüre einen starken Druck, den man Schmerz nennen könnte. Es schmerzt jedoch nicht so wie ein Zahnschmerz oder Ohrenschmerz. Dabei sind Nerven betroffen. Einsamkeit trifft aber keine Nerven bei mir. Sie drückt schlichtweg mein Herz zusammen. Meine Atmung strengt mich an und ich spüre nichts als Kälte und Leere. Und doch fühlt es sich nicht wie eine Depression an. Ich bin nicht traurig oder verliere meinen Lebensmut. Ich fühle mich nur alleine auf einer kleinen Insel oder hinter einer Glaswand.

Welche Begebenheiten zerstören diese Brücke?

Es ist die ewige Kritik, dass ich immer noch etwas an meinem Verhalten verbessern soll.
Ich weiß, dass sich alle Menschen gegenseitig kritisieren und einander verändern wollen. Doch ich kann mich nicht mehr verändern. Egal, was ich tue, ich fühle immer gleich und besitze immer die gleichen Einstellungen und Ansichten, dabei lerne ich den ganzen Tag, um zur Gesellschaft dazuzugehören. Greift derjenige, zu dem ich eine Brücke gebaut habe, aber bestimmte Reaktionen oder Verhaltensweisen bei mir ständig an, die ich nicht verändern kann, löst er damit die Verankerung auf. Das Vertrauen schwindet. Einsamkeit kommt auf. Traurigkeit entsteht. Verlassenheit. Kälte. Die Glaswand wird wieder sichtbar, ich schließe mein Fenster und die Brücke bricht ein.

Ich sitze in der kalten Einsamkeit und frage mich, ob es meine Schuld ist. Ich suche nach Ursachen und Gründen bei mir, und in der Tat aus der Sicht desjenigen, zu dem ich die Anlegestelle gebaut habe, bestätigt es, dass ich allein es bin, die die Brücke abgebrochen hat. Bin ich das? Warum breche ich sie ab? Warum arbeite ich nicht weiter an der Stabilität der Brücke?
Meine Antwort:

Weil ich inzwischen müde werde, diese Brücken ständig aufrecht zu erhalten. Ich bin müde, mich ständig nur von meiner Seite aus anzupassen. Das ist ein Grund, warum ich mich immer öfters in die Einsamkeit zurückziehe. Wenn ich bemerke, dass derjenige (oder auch diejenige) nicht in der Lage ist, mich so zu nehmen wie ich bin und mich ständig infrage stellt und ich nachgeben und mich verteidigen muss, erschöpft mich das in einem Maße, dass ich es nicht mehr aushalten kann. Ich bin nicht in der Lage, mich ständig zu verteidigen, wenn ich etwas nicht kann. Es erschöpft mich zusehends immer mehr. Dann ziehe ich lieber die Einsamkeit vor und lasse mein Fenster geschlossen. Die Einsamkeit verletzt mich nicht und fordert mich nicht ständig heraus, mich zu verteidigen. Sie ist zwar kalt, aber erträglich. Das ist der Moment, in dem ich viel in die Natur gehe. Sie ist warm und stellt mich nicht infrage. Dort tanke ich auf.

Was wünsche ich mir?

Ich wünsche mir eine Brücke zu Menschen, die mich auf ganzer Linie so nehmen, wie ich bin. Die mich nicht infrage stellen oder verändern möchten. Ich möchte auch niemanden verändern.
Wenn ich darum bitte, allein gelassen zu werden, möchte ich allein gelassen und nicht gefragt werden, warum. Wenn ich allein bin, kann ich störungsfrei und entspannt leben. Diese Antwort müsste ausreichen. Das benötige ich, um mein Fenster wieder zu öffnen und mich auf die Welt da draußen einzulassen.

Alleinsein ist eine Wohltat für mich. Es fühlt sich gesellig und energetisch an. Ich verspüre inspirierende Momente und tiefe Freude, tiefe Gefühle, tiefes Glück.

Wie sähe mein perfektes Leben aus?

Einer Arbeit nachzugehen, die ich liebe. Diesen Punkt habe ich mir bereits erfüllt, indem ich freiberuflich Bücher schreibe und dadurch unabhängig bin.
Zur wohnlichen Situation: Ich benötige die Nähe zu einem Menschen, zu dem ich eine stabile Brücke gebaut habe und der mir hilft, sie zu erhalten. Ein Haus mit getrennten Wohneinheiten gibt mir das Gefühl von ausreichenden Rückzugsmöglichkeiten und doch das Gefühl, jederzeit eine Person meines Vertrauens um mich zu wissen. Gegenseitige Hilfe muss sich für mich in einer Balance befinden. Dann ist die Brücke stabil.
Wichtigste Baumaterialien sind:

Ehrlichkeit, Offenheit, Transparenz, Fairness und Respekt

(Ab jetzt kann man meine Blogs auch zusammengefasst als eBook und  Printausgabe lesen)

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13 Gedanken zu „Verbindung verloren

  1. Nobody

    Ja das kenne ich nur zu gut, es ist ein ständiges Auf und ab der Gefühle! Irgendwann wird man müde…………… wenn’s zu arg an die eigene Energie geht, brech ich still und leise die Freundschaft ab. Ich mach mich rar, hab keine Zeit mehr! Einfach um dem ständigen Kritisieren aus dem Weg zu gehen.

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  2. Alex

    lese gerade wieder in Ihrem Blog, viele Dinge empfinde ich ähnlich und ich sehe da eine Frau, die sich zu ihrem Leben, dass zu ihrer eigenen Persönlichkeit passt, durchkämpft , wobei die Mitmenschen bzw die Beziehung zu ihnen, oft Störfaktoren sind. Ich weiß nicht, ob Sie den Film „die Wand“ gesehen haben, dieser Film hat mich von den Naturaufnahmen und der Darstellerin tief angesprochen. Sie ist durch ein unerklärtes Ereignis (eine unsichtbare Wand um ein Areal in den Bergen) eben in diesem Areal eingeschlossen, und beginnt sich dort einzurichten, muß auf die Jagt gehen, was ihr zuwieder ist, um zu überleben, wird immer mehr in die Natur und ihre Abläufe hineingezogen, immer wenn sie das Areal erkundet, kommt sie wieder an diese Wand, in dem Zusammenhang sichtet sie Menschen- die hinter dieser Wand wie eingefroren sind. Der einzige Mensch, den sie innerhalb ihres Areals trifft, ist jmd, der dort wohl auch eingeschlossen wurde, ziemlich verwildert ist und eine tiefe Wunde in ihr Leben dort reißt, indem er ihren jungen Stier und den Hund tötet, zu denen sie eine tiefe Bindung hat. Sie erschießt diesen Mann dann.

    In meiner Jugend/ jungen Erwachsenenzeit schrieb ich in mein Tagebuch auch von einer unsichtbaren Wand, die mich von meinen Mitmenschen trennt, Anpassungsschwierigkeiten, meinte es läge daran, dass ich relativ isoliert aufgewachsen bin und sozusagen unzureichend sozialisiert und aufs Erwachsenenleben vorbereitet. Lernte Krankenschwester, was gar nicht zu meinem eigentlichen Trieb etwas mit Natur zu arbeiten, passte, mir aber durchaus half, Menschen gegenüber aufgeschlossener zu werden. 2005 rum suchte ich mal auf Anraten einer Bekannten einen Psychiater auf, der ADHS diagnostizierte. („Zweifelsohne!!!“ rief er aus). Ich störe mich daran, dass diese Art zu Sein so pathologisiert wird. Thematisiere es unter NTs kaum, werde dann hingestellt als gebrauche ich eine Ausrede für Fehlverhalten und will im übrigen einfach so sein dürfen. Habe durch wunderbare Fügung meinen Mann kennengelernt und seine Schwester, die sich um uns sorgte, empfahl uns dringen, wg ihm , mit der Thematik Asperger auseinander zu setzen… darum hab ich mich hier festgelesen…nunja, er widmet sich lieber seinen handwerklichen Künsten als zu psychologisieren…wir sind ja schon über 40 und die Leuts reagieren komisch, wenn ich unsere Beziehung beschreibe, zB dass ich durch meine Schichtarbeitszeiten viel „sturmfreie Bude“ habe, was ich sehr geniese und brauche. Oder dass es mehr logische, rationelle Gründe waren, die uns heiraten liesen.

    „Ein Haus mit getrennten Wohneinheiten gibt mir das Gefühl von ausreichenden Rückzugsmöglichkeiten…“

    das wäre auch mein Traum, am liebsten hätte ich ein Wochenendhaus hier im WE-Gebiet für mich und wir könnten uns gegenseitig besuchen, bin mir aber bewusst, das wäre organisatorisch Stress, das Haus ist nicht gerade das was ich mir gekauft hätte, aber die Natur- Schafswiesen, der weitläufige Wald, ist ganz nahe und ich habe mir das kleinste Zimmer für mich ergattert. Wenn wir mal Streit haben, dann zieht sich mein Mann hinter eine unsichbare Wand zurück, schweigt und ist wie versteinert, das ist ganz schwer für mich zu ertragen, die ich immer gerne alles ausdiskutieren will und zu Sarkasmus neige. Ich muß ihn dann einfach lassen, statt nachzubohren, denke ich nun…seufz

    herzlichen Dank für Ihren Blog und die sehr persönlichen Gedanken

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    1. Denkmomente Autor

      Vielen Dank für diese Rückmeldung. „Die Wand“ ist meine Lieblingsbuch und ich fand mich dort in allen Facetten wieder! Habe es schon drei Mail gelesen und auch den Film gesehen. Das Buch fand ich besser. Ich habe schon viele Bücher gelesen, die auf autistische Charakteren schließen lassen.
      Und, ja, es gibt so viele Momente, in denen ich auch gerne alleine leben möchte. Aber da ist auch der Drang, jemanden um mich zu haben, dem ich vertrauen kann. Es gibt nicht viele, denen ich vertraue. So wird meine Ehe auch mit vielen Kompromissen geführt, doch irgendwie haben wir uns nach 34 Jahren daran gewöhnt. Es gab mächtige Aufs und Abs. Aber wir haben bis heute „überlebt“. Das Alter macht uns ruhiger, was meinem Autismus sehr entgegenkommt. Und ich darf viel öfter mein Alleinsein genießen, was früher immer oft ausdiskutiert wurde. Ich wünsche auch dir weiterhin eine gutes Leben! LG

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